Komplexität, Zeit, Loop

 

Liebe User,

 

es freut mich sehr, Ihnen mitteilen zu können, dass ich für die heutige Veranstaltung einen ganz besonderen Gastredner gewinnen konnte. Es ist der, aufgrund seiner Arbeiten zur Philosophie der Loops, allseits bekannte User 442993686. Bitte sehr!

 

Vielen Dank für die nette Begrüßung. In der Tat ist die Philosophie der Loops etwas, das mich sehr lange beschäftigt hat und auch immer noch beschäftigt. Wie Sie wissen, handelt jede anerkannte Philosophie immer von genau zwei Sachen. Zu einem von der Sache selbst und zum anderen von deren Entstehung. So auch die Philosophie der Loops. Doch soll es heute nicht so sehr gehen um die vorhandenen Loops selbst und die vielfältigen Möglichkeiten diese zu kombinieren, nein, heute richten wir unser Augenmerk auf eine ganz spezielle Art und Weise, Loops entstehen zu lassen. Und das ist das Live Looping. Das Ganze kann man sich in etwa vorstellen, als ein Orchester mit einem Dirigenten, nur dass die Musiker keine Musiker sind, sondern Maschinen, die nur zu simpler Wiederholung fähig sind. Das bedeutet, dass der Dirigent, wenn er vor den Maschinen steht, nur die Aufgabe hat, das Produkt zur beurteilen und zu überlegen, was denn verändert werden könnte, um die Sache weiterhin in seinem Sinne ablaufen zu lassen. Diese Veränderung geschieht dann in der Art und Weise, dass er für einen bestimmten Zeitraum die Kontrolle über die ausgewählte Maschine übernimmt, um das gewünschte Material zu erzeugen. Dieses Material wird nun von der Maschine, nachdem diese wieder sich selbst überlassen ist, permanent wiederholt. Das heißt, es ist ein Prozess der ständigen Anpassung des Produkts an die Vorstellung des Dirigenten. Selbstverständlich sind Länge der Loops und Anzahl der Wiederholungen extrem variabel, was einen enorm großen Spielraum zulässt. Auch eine temporäre Deaktivierung einzelner Musiker ist kein Problem. Hier haben wir es also zu tun mit einer ganz klassischen Komplexität, bei der das leblose Erzeugnis des lebendigen Prozesses auf den lebendigen Prozess zurückwirkt und dieser wiederum neue leblose Erzeugnisse produziert, indem er, in unserem einfachen Fall des Live Loopings, bereits bestehende Leblosigkeiten manipuliert. Wie bei jeder anderen Komplexität auch, ist dieser Prozess ein zeitlicher (respektive ein räumlicher), jedoch nicht, weil er in einem zeitlichen Rahmen abläuft, sondern weil er selbst Zeit besitzt, die sich ergibt aus der Limitierung der Prozessgeschwindigkeit aufgrund der Interaktion mit den Erzeugnissen und den benachbarten Komplexitäten. Nun gibt es teilweise die Vorstellung, man könne doch die Musikmaschinen so kompliziert gestalten, dass es so aussieht, als würden diese in der Lage sein, von ganz allein, also ohne Dirigenten, Musik zu erzeugen. Dass es sich dabei um nicht mehr als eine Simulation handeln kann, liegt denke ich auf der Hand. Der Fehler liegt in der alleinigen Fokussierung auf das Erzeugnis, so wie es Ihnen auch aus den präkomplexen Philosophien bekannt sein dürfte. Damit bin ich auch schon am Ende angelangt. Vielen Dank für Ihre Geduld. Gute Nacht!