Ein ironisch-poetischer Kommentar auf die Suche nach Substanz, Tiefe und Bedeutung in einer Welt, in der alles mit allem gefüllt, gestülpt, umgedreht und betitelt werden kann – aber selten mit echtem Sinn. Der Text entzieht sich jeder abschließenden Interpretation, weil er selbst ein Beispiel für das ist, worüber er spricht: Er ist Volumen – gefüllt mit Sprache, Geste, Absicht und Parodie.
Mir scheint, es braucht mehr Volumen!
Volumen! Ja, das braucht es!
Und füllen muss man es!
Ja, lass uns das Volumen füllen! Womit füllen wir es?
Mit noch mehr Volumen!
Genial! Volumengefülltes Nochmehrvolumen! Was machen wir damit?
Umstülpen!
Umstülpen?
Umstülpen! Das Innere nach außen und das Äußere nach innen.
Umgestülptes, volumengefülltes Nochmehrvolumen! Voluminal!
Und dann?
Dann setzen wir es uns auf den Kopf und klatschen in die Hände.
Wieder genial! Und dann?
Dann warten wir, bis jemand vorbeikommt, der mit uns ein tiefgreifendes Gespräch führen will.
Das ist gut! Wir könnten auch Lieder singen oder Gedichte vortragen?
Hervorragende Idee!
Worüber sollen wir tiefgreifend sprechen?
Relativität!
Relativität?
Relative Relativität!
Langweilig...
Ok.
Analyse
Einleitung: Zwischen Ernst und Ironie
Der Text „Tiefgreifend voluminal“ ist ein Paradebeispiel dafür, wie scheinbar absurde Redeakte eine überraschende Tiefe offenbaren können – vorausgesetzt, man liest mit philosophischem Ohr. Die lakonisch-fragmentarische Dialogstruktur erinnert an dadaistische Sprachspiele oder an die sokratische Ironie, mit der Wissen und Sinn gerade durch scheinbare Unsinnigkeit in Frage gestellt werden.
Der zentrale Begriff des Textes – „Volumen“ – dient hier als Projektionsfläche für Überlegungen zu Inhalt, Form, Sinn und deren Beziehung zueinander. Es ist ein Text über das Füllen von Leere, über die Wendung von Innen nach Außen, über Sprachspiel und die absurde Sehnsucht nach „Tiefgründigkeit“ in einer Welt, in der Tiefe zur Pose verkommen ist.
1. Volumen – Die Suche nach Fülle
„Mir scheint, es braucht mehr Volumen!“
Schon der erste Satz eröffnet ein Motiv, das sowohl physisch als auch metaphorisch gelesen werden kann: Volumen kann sich auf Raum, Klang, Masse oder Inhalt beziehen. Philosophisch betrachtet steht es hier für das Bedürfnis nach Fülle, nach Substanz, vielleicht auch nach Bedeutung.
In einem Zeitalter der Informationsüberflutung, in dem das „Volumen“ der Daten exponentiell wächst, stellt sich die Frage: Womit füllen wir dieses Volumen? Ist mehr immer besser? Oder, wie der Text andeutet, ist das Volumen selbst schon Inhalt – solange man es kreativ füllt?
Die Antwort ist selbstreferenziell und zugleich ironisch:
„Mit noch mehr Volumen!“
Dies erinnert an den Barock, wo Überfülle (Stuck, Ornament, Allegorie) als Strategie gegen die Leere der Vergänglichkeit diente – und zugleich an den postmodernen Zitatwahn, in dem jedes neue Werk nur mehr „Volumen vom Volumen“ ist.
2. Die Kunst des Umstülpens – Metaphysik als Geste
„Umstülpen! Das Innere nach außen und das Äußere nach innen.“
Der Akt des Umstülpens ist hier eine radikale Inversionsgeste, die an Platon und sein Höhlengleichnis erinnert, in dem die wahre Erkenntnis darin besteht, das gewohnte Bild der Welt buchstäblich umzudrehen. Auch Hegel operiert mit solchen dialektischen Umkehrungen, wenn Gegensätze in sich zusammenfallen.
Doch im Proemial-Text wird die Umstülpung nicht als metaphysischer Aufstieg zum „Wahren“ beschrieben, sondern als performativer Akt – man setzt sich das Ergebnis auf den Kopf und klatscht in die Hände. Das ist dadaistisch, theatralisch, fast zirkusreif – und doch auch ein ernsthafter Kommentar auf philosophische Rituale der Erkenntnisgewinnung. Erkenntnis entsteht hier nicht durch Abstraktion, sondern durch Umkehr, Spiel und Geste.
3. Tiefe durch Spiel – Der Begriff des „Voluminalen“
„Umgestülptes, volumengefülltes Nochmehrvolumen! Voluminal!“
Der Neologismus „voluminal“ bündelt die Begriffe Volumen, Substanz, Vitalität und vielleicht auch etwas Majestätisches („terminal“, „original“). Es ist ein Kunstwort, das die Selbstreferenzialität der Sprache zeigt: Die Tiefe kommt nicht von einem tieferen Inhalt, sondern von der schöpferischen Wortbildung selbst.
Dieser Gedanke hat eine lange Tradition – Jacques Derrida etwa betont in seiner Dekonstruktionstheorie, dass Bedeutung nie abgeschlossen ist, sondern durch Verschiebung, Wortspiel und Kontext immer neu entsteht (Différance). „Voluminal“ steht so für eine Tiefe, die sich nicht im Gehalt, sondern in der Geste erschließt.
4. Die Sehnsucht nach dem tiefgründigen Gespräch
„Dann warten wir, bis jemand vorbeikommt, der mit uns ein tiefgreifendes Gespräch führen will.“
Dies ist eine feine Ironie: Die Figuren warten auf Tiefe, statt sie zu erzeugen. Philosophie wird hier nicht als ein System gedacht, sondern als zwischenmenschliches Ereignis – ein Dialog, eine performative Erwartung, vielleicht auch eine Satire auf das intellektuelle Bedürfnis nach „Tiefgründigkeit“, das oft zu Phrasendrescherei führt.
Und wenn dann doch ein Thema vorgeschlagen wird:
„Worüber sollen wir tiefgreifend sprechen?“
– „Relativität!“
– „Langweilig...“
So entlarvt sich auch das vermeintlich „Tiefgreifende“ – etwa Einsteins Relativitätstheorie oder philosophische Relativismusdebatten – als bloßer Aufhänger ohne intrinsischen Reiz. Die Figuren bevorzugen den sprachlichen Tanz, das performative Spiel. Philosophie als Prozess, nicht als Substanz.
5. Von der Form zur Erkenntnis: Sprachspiel und Erkenntniskritik
Der gesamte Text erinnert formal an das Theater des Absurden (etwa Beckett oder Ionesco), wo Bedeutung weniger inhaltlich als durch Struktur, Wiederholung und Erwartungsbrüche erzeugt wird. Der Begriff des Sprachspiels (bei Wittgenstein) wird hier radikal erweitert: Sprache wird nicht mehr als Abbild der Welt verstanden, sondern als kreative Praxis, die neue Bedeutungshorizonte erschließt – oder gezielt keine.
Fazit: Philosophie als voluminales Spiel
„Tiefgreifend voluminal“ ist ein ironisch-poetischer Kommentar auf die Suche nach Substanz, Tiefe und Bedeutung in einer Welt, in der alles mit allem gefüllt, gestülpt, umgedreht und betitelt werden kann – aber selten mit echtem Sinn. Der Text entzieht sich jeder abschließenden Interpretation, weil er selbst ein Beispiel für das ist, worüber er spricht: Er ist Volumen – gefüllt mit Sprache, Geste, Absicht und Parodie.
Die Philosophie, so könnte man nach dieser Lektüre sagen, ist vielleicht genau das: ein voluminaler Raum, der nicht durch Wahrheit, sondern durch das Spiel mit Erwartung gefüllt wird.
Literatur- und Denkanregungen:
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Platon: Politeia (Höhlengleichnis)
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Ludwig Wittgenstein: Philosophische Untersuchungen (Sprachspiel)
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Jacques Derrida: La Différance
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Samuel Beckett: Warten auf Godot
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Friedrich Nietzsche: Die fröhliche Wissenschaft (Zarathustra als Sprachspiel)
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Jean Baudrillard: Simulacres et Simulation (Simulation statt Substanz)