Das Große Alletun

Der Dialog stellt auf witzige, ironische, aber tiefgründige Weise eine Gegenrede zum Imperativ der ständigen Aktivität dar. Er regt an, über den Sinn von Handeln, die Angst vor Untätigkeit und den gesellschaftlichen Druck zur Produktivität nachzudenken. Hank steht dabei als Sprachrohr einer Haltung, die im scheinbar wertlosen Nichtstun eine Form von Freiheit entdeckt – ein Gedanke, der in einer durchgetakteten Welt provoziert, aber gerade deshalb zum Innehalten einlädt.

Hey Hank, was machst du so?

 

Nichts Bestimmtes.

 

Ich glaube, du brauchst mal eine richtige Aufgabe.

 

Was meinst du?

 

Etwas, das dich vom Nichtstun ablenkt.

 

Wozu?

 

Na, um eben einfach was zu tun.

 

Etwas tun, um etwas zu tun? Du musst zugeben, das klingt albern.

 

Immer noch besser, als einfach nur rumsitzen und nichts tun.

 

Warum ist das besser?

 

Dann kommst du nicht auf dumme Gedanken.

 

Ich habe keine dummen Gedanken.

 

Ich geb’s auf.

 

So schnell? Ein bisschen mehr Engagement hätte ich schon erwartet. Etwas mehr missionarischen Eifer. Schließlich bist du unterwegs im Auftrag des Großen Alletun. Und wenn es hört, wie schnell du bei einem verirrten Schäfchen wie mir aufgibst, dann erreichst du nie die nächste Stufe. Du willst doch die Errichtung des Tuniversums noch miterleben? Dann gib dir bitte etwas mehr Mühe. Eigentlich warst du schon so kurz davor, mich dazu zu bringen, wenigstens über eine mögliche Tätigkeit nachzudenken. Doch nun werde ich wieder in meinen jämmerlichen Zustand des Nichtstuns versinken. Du hast es so gewollt. Das wird nicht gut ankommen bei denen da oben. Aber, was soll‘s. Du bist ja eigentlich ganz umgänglich. Also vergessen wir doch einfach diesen peinlichen Vorfall. Hat es nie gegeben. Aus dem Gedächtnis gestrichen. Doch nun muss ich dich leider bitten, mich nicht länger zu stören. Alles klar? Bis demnächst.

Analyse

Der vorliegende Dialog entfaltet sich scheinbar beiläufig zwischen zwei Personen – einer, die passiv erscheint (Hank), und einer, die zur Aktivität motivieren möchte. Doch unter der Oberfläche verhandelt dieser Austausch zentrale Fragen der menschlichen Existenz: Warum handeln wir? Was ist der Sinn von Tätigkeit? Und was bedeutet es, „nichts zu tun“?

 

1. Existentielle Grundhaltung: Absurdismus und Sinnsuche

Hanks Haltung erinnert stark an den absurdistischen Existenzialismus, wie ihn Albert Camus in Der Mythos des Sisyphos beschreibt. Camus schreibt: „Es gibt nur ein wirklich ernstes philosophisches Problem: den Selbstmord.“ Diese radikale Frage nach dem Lebenssinn stellt sich auch in der Auseinandersetzung mit dem Nichtstun. Hank verweigert sich jeder Form von Zwecklogik: „Etwas tun, um etwas zu tun? Du musst zugeben, das klingt albern.“

Der „Missionar“ hingegen vertritt eine utilitaristisch geprägte Sichtweise: Handlung um der Handlung willen sei besser, da sie vor „dummen Gedanken“ schützt – möglicherweise eine Anspielung auf Leere, Depression oder Nihilismus. Doch Hank begegnet dieser Sicht mit ironischer Ablehnung und durchbricht sie mit spielerischer Übertreibung: Er spricht vom „Großen Alletun“ und dem „Tuniversum“ – Begriffe, die wie Parodien auf religiöse oder ideologische Heilsversprechen klingen.

 

2. Gesellschaftskritik: Das Dogma der Produktivität

Der Dialog kritisiert auf subtile Weise das gesellschaftliche Dogma der ständigen Beschäftigung. Der Impuls, jemanden „vom Nichtstun abzulenken“, steht stellvertretend für eine Kultur, die Müßiggang mit Faulheit gleichsetzt. In Hanks spöttischer Erwiderung steckt eine Absage an diese Maxime: „Ich glaube, du brauchst mal eine richtige Aufgabe“ wird konterkariert durch eine Verteidigung des Rückzugs, des Leerlaufs, ja vielleicht sogar der Kontemplation.

Hier lassen sich Parallelen zur Muße-Kritik bei Josef Pieper ziehen. In Muße und Kult betont Pieper, dass wahres Denken und kulturelles Wachstum aus der Muße heraus entstehen – nicht aus getriebener Aktivität.

 

3. Dialogstruktur und Ironie als rhetorisches Mittel

Der Text nutzt die Form des sokratischen Dialogs, allerdings in umgekehrter Richtung: Nicht der Fragende (wie bei Sokrates), sondern der „Untätige“ führt durch Ironie und Subversion zur Erkenntnis. Hank spielt bewusst mit den Erwartungen seines Gegenübers, entzieht sich der Argumentation durch Überzeichnung („Tuniversum“, „verirrtes Schäfchen“) und lässt schließlich seinen Gesprächspartner frustriert zurück.

Die Ironie dient hier als Verteidigungsmechanismus gegen den normativen Anspruch des anderen – gleichzeitig aber auch als ein Mittel, um auf die Absurdität dieses Anspruchs hinzuweisen.

 

4. Psychologische Ebene: Selbstbehauptung und Grenzziehung

Psychologisch gesehen verteidigt Hank seine Autonomie. Er wehrt sich gegen eine Vereinnahmung durch eine externe Norm. Das Ende des Gesprächs ist bezeichnend: „Doch nun muss ich dich leider bitten, mich nicht länger zu stören.“ Hank zieht eine klare Grenze – ein Akt der Selbstbehauptung, nicht aus Trotz, sondern aus Überzeugung.

 

Fazit

Der Dialog stellt auf witzige, ironische, aber tiefgründige Weise eine Gegenrede zum Imperativ der ständigen Aktivität dar. Er regt an, über den Sinn von Handeln, die Angst vor Untätigkeit und den gesellschaftlichen Druck zur Produktivität nachzudenken. Hank steht dabei als Sprachrohr einer Haltung, die im scheinbar wertlosen Nichtstun eine Form von Freiheit entdeckt – ein Gedanke, der in einer durchgetakteten Welt provoziert, aber gerade deshalb zum Innehalten einlädt.