Philosophie der Bewegung (2)

Der Text inszeniert sich selbst als lebendige, fluide Form des Denkens, die mehr fragt als erklärt, mehr in Bewegung setzt als festlegt. Er steht in der Nähe zu Denkern wie Deleuze, Derrida, Merleau-Ponty oder Nancy, ohne sich explizit auf sie zu berufen. Der Text denkt in Bewegung, nicht über Bewegung.

Der Rhythmus des Aufhebens als unausgesprochene Daseinsform entspricht genau den Erwartungen, die formuliert worden waren während einer Epoche als der Erwartungshorizont der spezifischen Fragestellungen noch ein klein wenig anders war als in der heutigen, fortschrittlicheren Zeit. Denn der Fortschritt mit all seinen Ausprägungen, seinen Verwerfungen und seinen immensen Anforderungen an ein immer noch ‚altes‘ Bewusstsein, an eine überkommene Kapazität menschlicher Konstitution, ist letztendlich nichts anderes als die permanente Bewegung im Rhythmus des Aufhebens.

 

Bewegungsphilosophie oder Philosophie der Bewegung? Die Philosophie der Bewegung thematisiert nicht nur den blinden Fleck der mobilen Daseinsform hinsichtlich ihres mobilen Daseins. Die Philosophie der Bewegung ist selbst als solche eine bewegliche. Angetrieben einerseits von der Philosophie des Willens, andererseits auch vom Willen selbst, bewegt sich die Philosophie der Bewegung auf natürliche Art und Weise nicht nur um die klassischen Blindfleckphilosophien herum, nein, sie bewegt sich gewissermaßen auch durch sie hindurch und bildet das aus nicht beweglicher Sicht buchstäblich nicht Begreifbare, Unfassbare, weil nicht-Dingliche. Was ist der Sinn der Philosophie der Bewegung? Schwer zu sagen. Es besteht die vage Hoffnung, dass es am Ende ein klein wenig mehr sein wird als das pure Vergnügen am Niederschreiben von ein paar vermutlich belanglosen Zeilen, in denen ab und zu einmal das Wort ‚Philosophie‘ fällt. Und das auch nur zu einem einzigen Zweck, nämlich dass in besagten Textzeilen das Wort ‚Philosophie‘ vorkommt.

Analyse

Die Philosophie der Bewegung stellt einen konzeptionellen Gegenentwurf zur traditionellen Philosophie dar. Nicht als fixes, systematisch fixierbares Gebilde, sondern als fluide, sich ständig transformierende Form des Denkens zeigt sich hier eine Philosophie, die selbst Bewegung ist: nicht nur thematisch, sondern in ihrem Wesen. Der Text knüpft damit an Strömungen wie Prozessphilosophie, Phänomenologie und poststrukturalistische Ansätze an – allerdings in eigener, poetischer Sprache, die sich selbst nicht immer ganz ernst zu nehmen scheint und dadurch ihre eigene Bewegung zum Ausdruck bringt.

 

Aufhebung als rhythmisches Prinzip

Bereits die erste Zeile des Textes ist programmatisch: „Der Rhythmus des Aufhebens als unausgesprochene Daseinsform…“ Der Begriff des „Aufhebens“ ist hier deutlich hegelsch gefärbt. In Georg Wilhelm Friedrich Hegels Dialektik bedeutet Aufhebung (Aufheben) die gleichzeitige Negation, Bewahrung und Erhöhung eines Zustands. Der Text spricht jedoch nicht von einer dialektischen Systematik, sondern vom „Rhythmus des Aufhebens“ – als einer Art Grundtakt der Existenz.

Der Fortschritt, so heißt es weiter, sei letztlich nichts anderes als „permanente Bewegung im Rhythmus des Aufhebens“. Damit wird der Fortschrittsbegriff entmystifiziert: nicht lineare Steigerung oder Zielgerichtetheit, sondern ständiger Umbruch, Reibung, Selbstüberwindung. Das „alte Bewusstsein“ – wohl ein Verweis auf anthropologische oder kulturelle Trägheit – gerät an seine Grenzen, wenn es mit dieser strukturellen Unruhe konfrontiert wird. In dieser Bewegung verweist der Text auf eine innere Dynamik der Moderne, die etwa auch Zygmunt Bauman in seiner Theorie der „flüchtigen Moderne“ (Liquid Modernity, 2000) beschreibt.

 

Philosophie als Form ohne festen Ort

Der Text stellt sodann eine ironisch anmutende Frage: „Bewegungsphilosophie oder Philosophie der Bewegung?“ Mit diesem spielerischen Dualismus wird die Unsicherheit gegenüber der Verortung dieser Denkrichtung sichtbar. Die Philosophie der Bewegung unterscheidet sich von einer Philosophie, die Bewegung thematisiert, indem sie selbst beweglich ist.

In dieser Selbstbewegtheit nähert sich der Text poststrukturalistischen Denkfiguren – insbesondere dem Konzept der Differance von Jacques Derrida, das besagt, dass Bedeutung sich stets verschiebt und niemals an einem stabilen Punkt ankommt. Auch Gilles Deleuze und Félix Guattari sprechen in Tausend Plateaus (1980) vom „rhizomatischen Denken“, das sich nicht aus einem Zentrum heraus entwickelt, sondern netzartig verzweigt – eine Denkbewegung, die auch dieser Text performativ inszeniert, indem er sich jeder fixen Definition entzieht.

 

Durchdringung statt Abgrenzung

Bemerkenswert ist die Formulierung, dass sich die Philosophie der Bewegung „nicht nur um die klassischen Blindfleckphilosophien herum“ bewege, sondern „durch sie hindurch“. Dies weist auf eine neue methodische Haltung hin: Statt Kritik von außen – wie sie etwa Karl Marx oder Nietzsche gegenüber früheren Philosophen übten – strebt diese Philosophie eine Art osmotisches Denken an: Sie lässt sich ein, absorbiert, wird selbst verändert. Das „Unfassbare, weil nicht-Dingliche“ ist genau das, was sich einer traditionellen Substanzontologie entzieht – ein Phänomen, das auch Jean-Luc Nancy (Die undarstellbare Gemeinschaft) oder Maurice Merleau-Ponty (Phänomenologie der Wahrnehmung) beschäftigen würde: das Bewegte, das niemals gänzlich Gegenstand sein kann.

 

Ironie, Selbstzweifel und die Sprache der Philosophie

Der Text kulminiert in einer ironischen Selbstbefragung: „Was ist der Sinn der Philosophie der Bewegung?“ Die Antwort bleibt vage, beinahe resignativ: Vielleicht nur das Vergnügen am Niederschreiben „von ein paar vermutlich belanglosen Zeilen“. Doch gerade dieser Zweifel bringt ein zentrales Merkmal zeitgenössischer Philosophie zum Ausdruck: ihre Reflexivität. Die Philosophie der Bewegung ist nicht darauf aus, endgültige Antworten zu liefern. Ihr Ziel ist es, das Fragen selbst in Bewegung zu halten.

In diesem Sinne steht der Text in einer Tradition, die bis zu Sokrates zurückreicht, dessen Philosophie nie darin bestand, ein System zu errichten, sondern Denkbewegungen zu initiieren. Zugleich reflektiert der Text seine eigene Performativität – das häufige, scheinbar grundlose Auftauchen des Wortes „Philosophie“ als ein Hinweis auf die Selbstreferenzialität des philosophischen Diskurses.

 

Fazit: Eine bewegte Denkfigur

Die „Philosophie der Bewegung (2)“ aus dem Proemial Philosophie Blog inszeniert sich selbst als lebendige, fluide Form des Denkens, die mehr fragt als erklärt, mehr in Bewegung setzt als festlegt. Der Text steht in der Nähe zu Denkern wie Deleuze, Derrida, Merleau-Ponty oder Nancy, ohne sich explizit auf sie zu berufen – und vielleicht liegt genau darin seine Stärke: Er denkt in Bewegung, nicht über Bewegung. Seine Ironie, seine rhythmische Sprache und seine produktive Vagheit sind nicht Mängel, sondern Ausdruck einer Philosophie, die sich – wie der Text selbst – der Festlegung entzieht.

 

Verweise / Referenzen:

  • Hegel, Georg Wilhelm Friedrich. Phänomenologie des Geistes (1807).

  • Deleuze, Gilles; Guattari, Félix. Tausend Plateaus (1980).

  • Derrida, Jacques. Die Schrift und die Differenz (1967).

  • Merleau-Ponty, Maurice. Phänomenologie der Wahrnehmung (1945).

  • Bauman, Zygmunt. Liquid Modernity (2000).

  • Nancy, Jean-Luc. Die undarstellbare Gemeinschaft (1986).

  • Proemial Philosophie Blog: „Philosophie der Bewegung (2)“