Die Zeit für richtig großen Blödsinn

Der Dialog ist ein leichtfüßiger, aber tiefgründiger Kommentar zur conditio humana der Gegenwart. Er spielt mit der Idee, dass die übertriebene Suche nach Sinn – in Politik, Beruf, Moral – ins Leere laufen kann. Dann bleibt nur noch der Schritt ins scheinbar Absurde, in den „großen Blödsinn“ – nicht als Flucht, sondern als Befreiung.

Es ist die Zeit für richtig großen Blödsinn.

 

Warum das denn?

 

Weil alles andere keinen Sinn macht.

 

Aber das macht doch gar keinen Sinn!

 

Richtig. So ist es.

 

Das ist doch Blödsinn!

 

Genau. Denn es ist an der Zeit.

 

Aber wieso?

 

Weil sich alles vermeintlich Sinnvolle am Ende als totaler Blödsinn erwiesen hat. Keiner weiß mehr, wie er etwas Sinnvolles tun soll. Daher überspringen wir ab sofort die sinnlosen Bemühungen um das vermeintlich Sinnvolle und starten direkt mit dem Blödsinn.

 

Woher weiß man, dass es Blödsinn ist? Wie unterscheidet man vermeintlich Sinnvolles und vermeintlichen Blödsinn?

 

Da sprichst du tatsächlich ein winzig kleines Problem an. Die Unterscheidung ist manchmal gar nicht so leicht.

 

Und außerdem, wer trifft diese Unterscheidung?

 

Ja, an dieses weitere Problem hatte ich auch schon gedacht.

 

Das klingt alles noch ziemlich unausgegoren.

 

Ich denke, ich brauche noch etwas Zeit.

 

Halte ich für sinnvoll, vermeintlich sinnvoll. Kann sich aber auch als vollkommen blödsinnig herausstellen. Wer weiß das schon?

 

Oh Mann! Ich habe das Thema echt unterschätzt.

 

Nimm es nicht so schwer. Sieh es doch einfach von der positiven Seite. Denn es ist doch ganz spannend, wenn erstmal keiner weiß, ob etwas sinnvoll oder nicht sinnvoll ist.

 

So kann man das natürlich auch sehen. Das heißt also...

 

Das heißt, dass du tust, was du tust. Das ist auch schon alles.

 

So einfach?

 

So einfach. Die Schwierigkeit liegt eher bei der Reflexion im Nachhinein. Das beeinflusst dein zukünftiges Tun.

 

Oh Mann! So hatte ich mir das nicht vorgestellt.

 

Tut mir leid.

 

Du kannst einem aber auch die Lust am Blödsinn so richtig vermiesen. Das klingt bei dir alles so todlangweilig, so...

 

Rational?

 

Genau, rational. Einfach nur zum Gähnen.

 

So bin ich nun mal.

 

Ich weiß. 

Analyse

Der Dialog „Die Zeit für richtig großen Blödsinn“ beginnt mit einem scheinbar paradoxen Imperativ: „Es ist die Zeit für richtig großen Blödsinn.“ Diese Eröffnung wirkt provokant, ironisch und zugleich existenziell – denn sie stellt das Grundbedürfnis des Menschen nach Sinn und Orientierung radikal in Frage. Die Pointe des Textes liegt nicht nur in seinem spielerischen Umgang mit Sprache, sondern in einer fundamentalen Infragestellung der modernen Sinnproduktion.

 

1. Sinn als Konstrukt: Wenn „Sinnvolles“ keinen Sinn mehr ergibt

Die zentrale These des Dialogs lautet: Alles vermeintlich Sinnvolle hat sich als Blödsinn entlarvt. Diese Aussage erinnert stark an postmoderne Sinnskepsis: die Vorstellung, dass große Erzählungen, Ideologien und rationale Systeme ihre Überzeugungskraft verloren haben (vgl. Jean-François Lyotard: Das postmoderne Wissen, 1979). Die Figur erkennt an, dass traditionelle Sinnsysteme brüchig geworden sind. Damit folgt der Text einer Linie, die sich durch Nietzsche, Camus bis hin zu heutigen Denkern wie Zygmunt Bauman zieht: Sinn ist nicht gegeben, sondern erzeugt – und oft nur scheinbar kohärent.

Die lapidare Umkehrung – „Wenn das Sinnvolle keinen Sinn macht, dann macht nur der Blödsinn Sinn“ – wirkt komisch, enthält aber eine bittere Wahrheit: In einer Welt, in der der Sinn verloren gegangen ist, bleibt dem Menschen nur noch die Flucht in das Absurde.

 

2. Camus, das Absurde und der Sprung in den Blödsinn

Die Logik des Dialogs erinnert in frappierender Weise an Albert Camus’ Konzept des Absurden (Der Mythos des Sisyphos, 1942). Camus beschreibt den Moment, in dem der Mensch erkennt, dass die Welt ihm keine transzendente Bedeutung liefert – dass zwischen dem Bedürfnis nach Sinn und der schweigenden Welt eine klaffende Leere liegt. Diese Leere bezeichnet er als das Absurde.

Anstatt jedoch, wie der religiöse Mensch, in ein höheres Wesen zu „springen“, fordert Camus, das Absurde anzuerkennen und zu umarmen. Genau dies geschieht im Dialog: Die Figuren vollziehen den Sprung nicht ins Glaubenssystem, sondern in den Blödsinn. Sie anerkennen: Vielleicht ist das Leben selbst eine große Komödie – und wer versucht, es zu „ernst“ zu nehmen, verpasst dessen Spielraum.

 

3. Die Ironie der Reflexion

Ein zentrales Thema des Dialogs ist auch die Problematik der Reflexion. Der eine Gesprächspartner versucht, das Absurde systematisch zu analysieren – was ihm von seinem Gegenüber sofort als „todlangweilig“ ausgelegt wird. Dies verweist auf eine grundlegende Spannung in der Philosophie selbst: Kann man das Absurde, das Irrationale, überhaupt rational fassen?

Sobald man versucht, den „Blödsinn“ zu strukturieren, wird er Teil des rationalen Diskurses – und verliert damit seine befreiende Funktion. Dies ist auch ein klassisches Problem der modernen Lebensphilosophie: Die Reflexion tötet oft den lebendigen Moment. Oder wie Søren Kierkegaard formulierte: „Die Reflexion ist eine Krankheit der Zeit.“ (Entweder – Oder, 1843)

 

4. Vom Tun zum Denken – und wieder zurück

Am Ende schlägt der Dialog eine existentielle Wendung ein: „Das heißt, dass du tust, was du tust. Das ist auch schon alles.“ Dieser Satz hat eine fast zen-buddhistische Leichtigkeit. Er erinnert zugleich an Heideggers Begriff des „Daseins“ (Sein und Zeit, 1927), in dem das menschliche Sein primär als Handeln in der Welt verstanden wird – nicht als distanzierte Beobachtung.

Das „Tun“ wird hier nicht durch absolute Sinngewissheit legitimiert, sondern durch die Handlung selbst. Sinn entsteht retrospektiv – „die Schwierigkeit liegt bei der Reflexion im Nachhinein“. Diese Haltung ist erstaunlich modern: In einer Welt flüchtiger Optionen (Bauman: Flüchtige Moderne, 2000) kann man gar nicht anders, als sich tastend voranzubewegen, ohne Garantie.

 

5. Blödsinn als Methode: Humor als Widerstand

Schließlich ist der Dialog auch ein Akt der humorvollen Subversion. Der „große Blödsinn“ ist nicht destruktiv, sondern befreiend – ein kontrolliertes Chaos, das den Ernst des Lebens unterläuft. In diesem Sinne erinnert der Text an Dadaismus oder absurdes Theater (Beckett, Ionesco), bei dem die Verweigerung des Sinns selbst zur Aussage wird.

Blödsinn wird zur Methode – zum ironischen Widerstand gegen die Tyrannei des Vernünftigen.

 

Fazit: Die Lust am Absurden

Der Dialog „Die Zeit für richtig großen Blödsinn“ ist ein leichtfüßiger, aber tiefgründiger Kommentar zur conditio humana der Gegenwart. Er spielt mit der Idee, dass die übertriebene Suche nach Sinn – in Politik, Beruf, Moral – ins Leere laufen kann. Dann bleibt nur noch der Schritt ins scheinbar Absurde, in den „großen Blödsinn“ – nicht als Flucht, sondern als Befreiung.

Wie Camus am Ende von Der Mythos des Sisyphos schreibt: „Wir müssen uns Sisyphos als einen glücklichen Menschen vorstellen.“ – Vielleicht gilt das auch für den modernen Blödsinnigen.

 

Literaturhinweise:

  • Albert Camus: Der Mythos des Sisyphos, 1942

  • Jean-François Lyotard: Das postmoderne Wissen, 1979

  • Søren Kierkegaard: Entweder – Oder, 1843

  • Martin Heidegger: Sein und Zeit, 1927

  • Zygmunt Bauman: Flüchtige Moderne, 2000