Der Text zeigt in dialogischer und ironischer Weise, dass das methodische Denken nicht aus sich selbst heraus beurteilen kann, was außerhalb seiner Ordnung liegt. Die Rede vom Irrsinn ist keine psychiatrische, sondern eine erkenntniskritische Figur – ein Marker dafür, dass Denken auch anders möglich ist.
Erstaunliche Resultate hast du da erzielt. Wie hast du das gemacht?
Mittels irrsinniger Methoden. Nicht zu verwechseln mit methodischem Irrsinn.
Deine erstaunlichen Resultate, die du mittels irrsinniger Methoden erzielen konntest, beruhen nicht auf methodischem Irrsinn? Wie kann das sein?
Was du meinst, ist, dass methodischer Irrsinn eine mögliche irrsinnige Methode sein könnte. Vielleicht gibt es noch andere. Aber das ist hypothetisch, da ja noch nicht einmal geklärt ist, ob der methodische Irrsinn selbst zu den irrsinnigen Methoden gehört. Aber wenn wir mal so tun würden, als wäre der methodische Irrsinn eine irrsinnige Methode, dann wäre es durchaus interessant, darüber nachzudenken, ob es denn neben dem methodischen Irrsinn noch andere irrsinnige Methoden geben könnte. Ich denke, ich werde mir das mal notieren. Das scheint mir ein interessantes Thema zu sein. Jedenfalls für später. Denn im Moment beschäftigt uns eher das Problem, ob der methodische Irrsinn überhaupt eine irrsinnige Methode ist, bzw. überhaupt sein kann? Dabei stellt sich natürlich sofort die Frage nach den Kriterien, anhand derer man eine irrsinnige Methode sicher erkennt. Meistens gibt es schwache und starke Kriterien, notwendige und hinreichende Kriterien, und wer weiß was noch alles. Bedeutet das aber auch, dass die Kriterien selbst schon mehr oder weniger irrsinnig bzw. methodisch sein können oder müssen? Ich fürchte, hier lässt sich ganz methodisch eine irrsinnige Anzahl von Metaebenen konstruieren, von denen am Ende keiner mehr weiß, ob die nun auch irrsinnig sind oder nicht. Wie kommen wir aus der Nummer nur wieder raus?
Wie sind wir eigentlich da reingekommen?
Ich glaube wir waren, ohne es zu merken, schon von Anfang an drin. Ich fürchte wir haben den Denkrahmen etwas zu eng gestaltet. Und das hat uns zwangsweise in die Irre geführt. Es war wohl die falsche Methode. Vielleicht war sie nicht irrsinnig genug? Und wieso landet man immer wieder bei diesen Metaebenen? Da stimmt doch prinzipiell etwas nicht.
Man kann eben immer fragen, wo etwas herkommt und was vorher war. Wenn man diese Art von Weltbild hat, ist man wohl chancenlos.
Das scheint mir an der Art der Wahrnehmung mit ihrem Gedächtnis zu liegen.
Sieht so aus.
Analyse
Der Text „Irrsinnige Methoden“ beginnt mit einem scheinbar harmlosen Dialog: Jemand lobt ein erstaunliches Resultat und fragt nach der zugrunde liegenden Methode. Doch statt einer klaren Antwort entspinnt sich ein metareflexiver Diskurs über die Möglichkeit und Unmöglichkeit, „irrsinnige Methoden“ von „methodischem Irrsinn“ zu unterscheiden – ein Spiel mit Begriffen, das bald die Grenzen des rationalen Denkens selbst offenlegt.
Die zentrale Frage lautet: Wie weit reicht das methodische Denken – und was passiert, wenn wir es überdehnen? Ist es möglich, irrationale oder irrsinnige Erkenntnisse methodisch zu erzeugen – oder ist gerade der Bruch mit Methodik der Schlüssel zu neuen Einsichten?
1. Methodik als Denkrahmen: Das Korsett der Rationalität
Der erste Clou des Textes liegt in der Unterscheidung zwischen:
-
irrsinnigen Methoden und
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methodischem Irrsinn.
Diese Trennung ist nicht bloß semantisch, sondern konzeptuell tiefgründig. Der Begriff „methodischer Irrsinn“ erinnert an rational betriebene Systeme, die sich verselbstständigen – etwa Bürokratien oder Dogmatiken, wie sie Max Weber oder Michel Foucault beschreiben. Methodischer Irrsinn ist der Moment, in dem die Rationalität in sich selbst umkippt und paradoxerweise irrational wird, obwohl sie ihren eigenen Regeln folgt.
Im Gegensatz dazu sind irrsinnige Methoden gerade solche, die bewusst nicht rationalisiert sind – sie operieren außerhalb normativer Wissenschaftlichkeit. Hier zeigt sich ein Bezug zur Avantgarde der Erkenntnistheorie: etwa bei Paul Feyerabend, der in Wider den Methodenzwang behauptet:
„Anything goes“ – keine Methode darf privilegiert sein, weil die größten Durchbrüche gerade durch Regelverstöße entstehen.
Der Text scheint in diesem Geiste zu fragen: Könnte es sein, dass „irrsinnige Methoden“ eine eigene, nicht-formalistische Zugangsweise zur Wirklichkeit darstellen?
2. Die Selbstverstrickung der Metaebenen
Der Text zieht den Leser tiefer in ein Labyrinth der Selbstbeobachtung hinein, wenn er überlegt:
„Dabei stellt sich natürlich sofort die Frage nach den Kriterien, anhand derer man eine irrsinnige Methode sicher erkennt.“
Diese Passage ist zentral. Denn sie zeigt: Sobald man versucht, Kriterien für das Irrationale zu entwickeln, methodisiert man es – und untergräbt damit seine Andersheit. Das Denken gerät in eine unendliche Regression von Metaebenen, in der jede Stufe die vorherige analysiert, ohne je einen festen Boden zu finden.
Diese Dynamik erinnert an Gregory Batesons Konzept der „Double Bind“-Strukturen – Situationen, in denen Kommunikation selbstreferenziell und paradoxerweise unauflösbar ist. Auch Douglas Hofstadter in Gödel, Escher, Bach beschreibt genau diese Schleifenstrukturen als konstitutiv für das Bewusstsein.
Der Blogtext ironisiert dies mit einem lapidaren Kommentar:
„Ich fürchte, hier lässt sich ganz methodisch eine irrsinnige Anzahl von Metaebenen konstruieren […]“
Das ist keine Kapitulation, sondern ein Fingerzeig: Der methodische Zugriff auf das Denken selbst hat Grenzen, die nicht durch mehr Methode, sondern nur durch ein Anderes des Denkens unterlaufen werden können.
3. Erkenntnistheorie als Spiel: Zwischen Ernst und Ironie
Ein auffälliger Zug des Textes ist seine spielerisch-ironische Haltung. Er reflektiert über Denkprozesse, aber nicht im Modus des ernsthaften Systemdenkens, sondern im Stil der philosophischen Ironie (vgl. Sokrates, Kierkegaard, Rorty).
„Wie sind wir eigentlich da reingekommen?“ – „Ich glaube, wir waren, ohne es zu merken, schon von Anfang an drin.“
Diese Wendung zeigt: Die Struktur des Denkens bringt uns notwendig in paradoxe Situationen, ohne dass wir es bewusst entscheiden. Irrsinnige Methoden wären dann nicht einfach Störungen, sondern Hinweise auf die Bedingungen unseres Denkens selbst.
So betrachtet, ist die Frage nach der „irrsinnigen Methode“ eine Art Kunstgriff: ein Stachel im Fleisch der Vernunft, der zeigt, dass die Rationalität ihrer eigenen Grenzen bewusst werden kann, aber sie nicht methodisch überschreiten kann – es sei denn, sie wird „irrsinnig“.
4. Die Falle des Gedächtnisses: Wahrnehmung als Ursache?
In der letzten Passage deutet der Text auf eine tiefere Ursache für das unentrinnbare Denken in Kausalitäten und Metaebenen:
„Das scheint mir an der Art der Wahrnehmung mit ihrem Gedächtnis zu liegen.“
Hier klingt phänomenologische oder neurowissenschaftliche Selbstkritik an: Das Denken ist nicht frei, sondern organisch, kognitiv und habituell bedingt. Alles, was wir methodisch denken, beruht auf bereits gespeicherten Strukturen – auf dem, was Merleau-Ponty als die „leibliche Gewohnheit“ beschreibt oder was Humberto Maturana als autopoietisches System bezeichnet.
Die Konsequenz: Selbst das irrsinnigste Denken bleibt gefangen in seinen neuronalen Bahnungen, es sei denn, es gelingt, diese durch Kreativität, Kunst oder Irritation zu stören. Die „irrsinnige Methode“ ist dann nicht planbar, sondern eine Ereignisstruktur – ein Einbruch des Anderen ins Selbe.
Fazit: Irrsinn als erkenntnistheoretische Möglichkeit
Der Text „Irrsinnige Methoden“ zeigt in dialogischer und ironischer Weise, dass das methodische Denken nicht aus sich selbst heraus beurteilen kann, was außerhalb seiner Ordnung liegt. Die Rede vom Irrsinn ist daher keine psychiatrische, sondern eine erkenntniskritische Figur – ein Marker dafür, dass Denken auch anders möglich ist.
„Vielleicht war sie nicht irrsinnig genug?“
Diese provokante Frage ist das Schlusswort des Textes – und vielleicht der Beginn eines radikal offenen Denkens. Ein Denken, das sich seiner methodischen Begrenztheit bewusst ist und dennoch wagt, das Unmethodische zu denken, nicht als Ziel, sondern als Möglichkeitsbedingung des Neuen.
Weiterführende Literaturhinweise
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Paul Feyerabend: Wider den Methodenzwang – Plädoyer für methodischen Anarchismus
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Michel Foucault: Die Ordnung der Dinge – Kritik der epistemischen Strukturen
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Douglas Hofstadter: Gödel, Escher, Bach – Schleifen und Selbstreferenz
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Gregory Bateson: Ökologie des Geistes – Metaebenen und paradoxe Kommunikation
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Humberto Maturana / Francisco Varela: Der Baum der Erkenntnis – Autopoiesis als Erkenntnismodell
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Maurice Merleau-Ponty: Phänomenologie der Wahrnehmung – Wahrnehmung als leibliche Struktur