Klangostrauß Klingelweiß

Ein poetisch-philosophisches Experiment, das Klang von seiner dienenden Funktion befreit und ihn zum eigentlichen Inhalt der Kommunikation macht. Der Text entzieht sich konsequent rationaler Interpretation und lädt stattdessen zu einer ästhetischen, körperlichen, lauschenden Rezeption ein. Es ist ein Spiel – ernst genommen. Eine Andeutung – nie eine Botschaft.

Oh, du wunderbarer Kling! Du klangelst ostwärts, aufwärts, abwärts.

 

Klinglicher Klingelklangus. Die Reise geht weiter.

 

Klangostrauß Klingelweiß. Ist der Name, den jeder kennt.

 

Klinganostrum Klangelium. Der Harm ist nicht der deine.

 

...

 

Bei mir klangelt was!

 

Klingt gut.

 

Leute, Leute! Ich glaube, ich lasse ausklingen.

 

Ausgezeichnet! Damit setzt du das richtige Zeichen.

 

Oh, Wunder! Oh, Wunder! Und jetzt alle...

 

Oh, Wunder! Oh, Wunder!

 

Sehr schön klangt der Klang.

 

Kling klang? Was machen die Straßen?

 

Es klangelt immer noch.

 

Siehst du die Zeichen?

 

Ich höre und staune. Doch muss erst vergleichen. Kann das denn reichen?

 

Brauche Wasser. Den Klang jedes einzelnen Tropfens.

 

Heimlich verschwindender Klang...

Analyse

Der Text „Klangostrauß Klingelweiß“ ist ein poetisch-experimentelles Sprachspiel, das sich an der Schnittstelle von Lautlichkeit, Bedeutung und Identität bewegt. Was zunächst wie eine dadaistische Spielerei wirkt, entfaltet bei genauerer Betrachtung eine reflexive Auseinandersetzung mit dem Wesen von Sprache, Musik, Wahrnehmung und Transzendenz. Der Text erschafft eine Welt, in der Klang als eigenständige Realität auftritt – jenseits von Referenz und klarer Bedeutung.

 

1. Klang als semantische Emanzipation

Die Eröffnung des Textes –

„Oh, du wunderbarer Kling! Du klangelst ostwärts, aufwärts, abwärts.“ –
etabliert sofort den Klang als Subjekt, nicht als Begleiterscheinung. „Kling“ ist keine Lautmalerei mehr, sondern eine Personifikation. Durch die eigenständige Verbform „klangelst“ wird ein linguistischer Neologismus geschaffen, der klangliche Bewegung markiert: Ostwärts, aufwärts, abwärts – Raumrichtungen werden klanglich durchquert. Damit löst sich der Text von der klassischen Zeichenfunktion der Sprache, wie sie etwa Ferdinand de Saussure beschrieb (Cours de linguistique générale, 1916): Das Zeichen verweist hier nicht mehr auf ein Bezeichnetes, sondern feiert sich selbst in lautlicher Selbstgenügsamkeit.

Die klangliche Poetik erinnert an Dadaismus oder frühe Lautgedichte von Hugo Ball (z. B. „Karawane“, 1917), die den Klang der Sprache von semantischem Ballast befreien wollten. Auch im Namen „Klangostrauß Klingelweiß“ wird diese Technik angewandt: Die Wörter sind bedeutungsoffen, gleichzeitig verspielt, bildhaft und geheimnisvoll. Sie könnten Namen sein – oder einfach lautmalerische Figuren im Sprachraum.

 

2. Musikalität und Mythopoetik

In Versen wie

„Klinganostrum Klangelium. Der Harm ist nicht der deine.“
erlebt der Leser eine Kombination aus Pseudo-Latein und mystischer Sprache. Das erinnert an biblische oder liturgische Sprachformen – besonders an das Neue Testament (Evangelium vs. „Klangelium“) oder magische Formeln, die wie in einem sakralen Ritual performativ wirken. „Klangelium“ wäre demnach eine Art klangliches Evangelium – ein Heilsversprechen durch Klang.

Gleichzeitig wird in der Formulierung „Der Harm ist nicht der deine“ eine Form von Exorzismus der Dissonanz vorgenommen. Es klingt fast nach einer tröstenden Botschaft: Der Schmerz, das Disharmonische, gehört nicht zu dir – du bist im Klang geborgen. Hier überschneidet sich ästhetisches Erleben mit spirituellem Trost, ein Motiv, das auch bei Philosophen wie Arthur Schopenhauer vorkommt, der in der Musik den unmittelbarsten Ausdruck des Willens sah (vgl. Die Welt als Wille und Vorstellung, 1819).

 

3. Das kollektive Klangereignis

Der zentrale Moment:

„Oh, Wunder! Oh, Wunder! Und jetzt alle...“
„Oh, Wunder! Oh, Wunder!“
inszeniert ein kollektives Mitsingen, ein chorisches Ritual, das an sakrale Lieder oder gemeinschaftliches Beschwören erinnert. Hier wird der Leser explizit in das Klanggeschehen eingebunden – eine theatrale Geste, die performative Literatur mit auditivem Happening verbindet. Man könnte dies als eine Poetik des Teilhabens deuten, bei der der Sinn nicht aus kognitiver Analyse entsteht, sondern aus der klanglichen Partizipation.

 

4. Das Klingen der Welt und das Ausklingen

Der Text pendelt zwischen Bewegung und Ruhe:

„Ich glaube, ich lasse ausklingen.“
Das Wortspiel zwischen „ausklingen“ (etwas beenden) und „klingen lassen“ (es weitertragen) verweist auf das Ende als Resonanz. Das „Ausklingen“ ist keine Zäsur, sondern ein Nachhall – so wie ein musikalischer Ton, der langsam in der Stille verklingt. In dieser Lesart ist die Welt selbst ein Instrument, das spielt, klingt, klangelt – und schließlich verklungen ist. In der Philosophie der Musik spricht Theodor W. Adorno in der Ästhetischen Theorie (1970) vom Klang als temporäre Wahrheit – unfestzuhaltend, aber erlebbar.

Diese klanghafte Welt verlangt nicht nach Lösung, sondern nach Hinhören. Der Text fragt nicht nach Bedeutung, sondern nach Stimmung, Ton, Rhythmus. Selbst das Bild des Wassers am Ende –

„Brauche Wasser. Den Klang jedes einzelnen Tropfens.“ –
verbindet das Elementarste mit dem Hörbaren. Tropfen werden nicht gezählt, sondern gehört. Die Welt ist nicht aus Fakten gemacht, sondern aus Klangsignalen.

 

5. Heimlich verschwindender Klang – Das Ende der Sprache?

Die abschließenden Worte –

„Heimlich verschwindender Klang...“ –
sind nicht bloß ein leiser Schluss, sondern ein Hinweis auf die Vergänglichkeit von Sprache und Klang. Es bleibt ein flüchtiger Eindruck – ähnlich wie Musik, die nur im Moment ihrer Aufführung wirklich existiert. Dies könnte als poetische Umsetzung von Martin Heideggers Idee gelesen werden, dass das „Wesen der Sprache“ im Verschwinden liegt – nicht in der Botschaft, sondern im Spiel des Seins (Unterwegs zur Sprache, 1959).

 

Fazit: Der Klang als Subjekt – Sprachkunst im Raum des Unerhörten

„Klangostrauß Klingelweiß“ ist ein poetisch-philosophisches Experiment, das Klang von seiner dienenden Funktion befreit und ihn zum eigentlichen Inhalt der Kommunikation macht. Der Text entzieht sich konsequent rationaler Interpretation und lädt stattdessen zu einer ästhetischen, körperlichen, lauschenden Rezeption ein. Es ist ein Spiel – ernst genommen. Eine Andeutung – nie eine Botschaft.

In einer Zeit der permanenten Informationserwartung öffnet dieser Text einen Raum für das Nicht-Verstehen als Form des Verstehens, das Klingenlassen als Form des Sagens und die Klangfigur als tragenden Moment des poetischen Denkens.

 

Literaturempfehlungen zur Vertiefung:

  • Hugo Ball: Lautgedichte und Poesie (1917)

  • Theodor W. Adorno: Ästhetische Theorie (1970)

  • Ludwig Wittgenstein: Philosophische Untersuchungen (1953)

  • Ferdinand de Saussure: Grundfragen der allgemeinen Sprachwissenschaft (1916)

  • Martin Heidegger: Unterwegs zur Sprache (1959)

  • Pierre Schaeffer: Traité des objets musicaux (1966) – zur akustischen Phänomenologie