Metaphern ohne Eigenschaften

Der Vortrag ist mehr als bloß eine Persiflage auf akademische Philosophie – er ist selbst ein philosophischer Akt. In der konsequenten Verweigerung klarer Begrifflichkeit, im ironischen Spiel mit Ebenen und Metaphern, wird nicht nur Philosophie parodiert, sondern zugleich deren erkenntnistheoretische Struktur offengelegt.

Liebe Zuhörer!

 

Es gehört zum Wesen dieser Vortragsreihe, dass die Zuhörer erwarten, dass sich der Vortragende stets darum bemüht, sich möglichst unverständlich auszudrücken. Denn nur so ist sichergestellt, dass niemand am Ende sagen kann, dass er eh schon alles gewusst habe. Dieser Erwartungshaltung soll auch heute entsprochen werden, und daher ist das heutige Thema irgendetwas zwischen Existenzphilosophie, Erkenntnistheorie und einem Dritten, das auf keinen Fall ausgeschlossen werden soll. Möglicherweise bewegen wir uns auch außerhalb der genannten Kategorien, einfach nur so zum Spaß. Als erstes möchte ich etwas zu den Dingen sagen. Das ist einfach. Das versteht jeder. Nur was bedeutet das, dass es jeder versteht? Das heißt doch nur, dass ein Dingverständnis wohl mehr oder weniger jedem gegeben ist, sozusagen als unterste Ebene von Existenz und Erkenntnisfähigkeit. Möglicherweise besteht zwischen beiden ein enger Zusammenhang. Doch soll dieses Dritte hier noch nicht genannt werden. Nun wird auf der Dingebene sehr gern behauptet, dass man die Dinge eben als Dinge betrachtet. Das ist logisch witzig, aber auch ein wenig gruselig. Wie mag es sein, die Dinge als Dinge zu sehen? Ich weiß es nicht. Und darüber bin ich froh. Doch was kommt oberhalb der Dingebene? Bekanntermaßen die Funktionsebene. Auf dieser Ebene ist das Eigenschaftsproblem der Dingebene gelöst. Es existiert schlichtweg nicht. Während man auf der Dingebene die Eigenschaften unbedingt braucht, eben weil man die Dinge so sieht, wie sie sind. Liebe Zuhörer, ich hoffe, das war einigermaßen unverständlich. Doch sehe ich bei einigen von Ihnen immer noch den Gesichtsausdruck, der mir sagt, dass ich noch nicht weit genug gegangen bin. Gut. Dann weiter. Nun haben wir die Funktionsebene erkannt. Können sie benennen. Das ist sicher nicht von der Dingebene aus möglich. Und selbst von der Funktionsebene aus, gibt es da ein paar Schwierigkeiten. Üblicherweise zeichnen sich Beschreibungsversuche, wenn sie denn für die Ebene gelten sollen, auf der man sich selbst gerade befindet, dadurch aus, dass einem die rechten Mittel dazu fehlen. Doch ist der Mensch einfallsreich, lässt sich nicht von seinem Vorhaben abbringen und benutzt Metaphern. Oder Systeme von Metaphern. Doch überlassen wir das den Philosophen, denn schließlich wollen wir unverständlich bleiben. Und diese Unverständlichkeit wird garantiert durch die letzte uns bekannte Ebene, die sich, wenig überraschend, oberhalb der Funktionsebene befindet. Ich hoffe, Sie stimmen hier nicht einfach zu, da Hierarchien zur Funktionsebene gehören und damit zur Beschreibung nicht so sehr geeignet sind. Vielleicht könnte man auch sagen, dass sich diese Ebene außerhalb der Funktionsebene befindet, wenn man das nicht örtlich, sondern logisch versteht. Sie merken schon, hier gerät man tatsächlich in Schwierigkeiten, und ich bin mir sicher, dass den meisten von Ihnen bereits der Gedanke kam, dass das Konzept der Ebenen hier nicht mehr ausreichend ist. Was bleibt noch zu sagen? Eigentlich nur, dass wir uns wohl weiterhin mit Metaphern begnügen werden, denn wer es nicht tut... Eine gute Nacht!

Analyse

Der hier analysierte Vortrag ist eine meisterhafte Parodie auf die Sprache und Denkweise der akademischen Philosophie, insbesondere der kontinentalen Tradition. Mit ironischer Distanz zum eigenen Tun demonstriert der Vortragende nicht nur, wie Philosophie oft kommuniziert wird, sondern auch warum sie sich genau dieser Kommunikationsform bedient. Ziel dieses Essays ist es, die impliziten philosophischen Ebenen des Vortrags zu identifizieren, seine rhetorischen Strategien offenzulegen und ihn in den Kontext erkenntnistheoretischer und existenzphilosophischer Fragen zu stellen.

 

1. Unverständlichkeit als epistemische Strategie

Der Vortrag beginnt mit einem ironischen Geständnis: Die Unverständlichkeit sei nicht nur ein Stilmittel, sondern eine Voraussetzung dafür, dass niemand behaupten könne, er habe ohnehin schon alles gewusst. Dies verweist auf ein zentrales Spannungsfeld in der Philosophie: der Balanceakt zwischen Erkenntnissuche und dem Anspruch auf Originalität. Unverständlichkeit wird hier zur epistemischen Taktik, die davor schützt, triviale Erkenntnisse als philosophische Einsichten zu verkaufen.

Ein Vergleich mit Theodor W. Adornos „Negative Dialektik“ drängt sich auf, wo das Unverfügbare des Begriffs und das Scheitern des eindeutigen Denkens gerade Ausdruck philosophischer Tiefe sein sollen. Adorno spricht davon, dass das „Denken gegen sich selbst“ zu richten sei – ein Gedanke, der hier auf unterhaltsame Weise aufgegriffen wird.

 

2. Dingebene, Funktionsebene, und das „Dritte“

Die Gliederung des Vortrags in sogenannte Ebenen – beginnend mit der „Dingebene“, dann der „Funktionsebene“, bis hin zu einem dritten, bewusst unbenannten Bereich – erinnert an die transzendentalphilosophische Denkweise Immanuel Kants, der zwischen Erscheinung (Ding) und Begriff (Funktion) unterscheidet, wobei das „Ding an sich“ stets außerhalb der kognitiven Reichweite bleibt.

Die Dingebene stellt in dieser Logik die phänomenale Welt dar – das, was wir intuitiv begreifen. Dass jeder ein „Dingverständnis“ habe, verweist auf eine Art präreflexives Erkennen, wie es auch bei Heidegger im Konzept des „Zuhandenen“ auftaucht. Der Versuch, über die Funktionsebene hinauszugehen, evoziert wiederum die Grenzen unserer epistemischen Mittel, ganz im Sinne Wittgensteins: „Wovon man nicht sprechen kann, darüber muss man schweigen“ (Tractatus logico-philosophicus, Satz 7).

Das „Dritte“, das explizit nicht benannt werden soll, bleibt als Leerstelle bestehen. Diese Leerstelle ist nicht nur rhetorischer Trick, sondern verweist auf eine philosophische Grundhaltung, die das Unsagbare nicht als Mangel, sondern als notwendiges Moment des Denkens begreift.

 

3. Metaphern und die Konstruktion von Sinn

Wenn die Beschreibung einer Ebene auf der selben Ebene scheitert, bleibt laut Vortragenden nur der Rückgriff auf Metaphern. Hier zeigt sich ein dekonstruktivistisches Verständnis von Sprache, wie es etwa bei Jacques Derrida zum Tragen kommt: Sprache ist nicht Referenz auf feststehenden Sinn, sondern ein Spiel von Differenzen, in dem Bedeutung ständig verschoben wird (différance).

Dass Metaphern oder „Systeme von Metaphern“ zur Erkenntnis führen sollen, spielt auf die erkenntnistheoretischen Grenzen logischer Beschreibung an. Gleichzeitig wird der ironische Abstand gewahrt: Die Philosophen sollen das ruhig machen – „wir wollen unverständlich bleiben“. Damit wird das ganze Unternehmen als theatrales Spiel entlarvt, ohne es dabei völlig zu diskreditieren.

 

4. Hierarchien und ihre Paradoxien

Die ironische Darstellung einer letzten Ebene „oberhalb“ der Funktionsebene stellt das gesamte Kategoriensystem infrage. Mit der Bemerkung, dass Hierarchien selbst Teil der Funktionsebene seien und daher zur Beschreibung des Übergeordneten ungeeignet, bringt der Vortrag ein metatheoretisches Problem zur Sprache: Jede Reflexion über die eigenen Grundlagen wird selbst Teil der Grundlage, die sie zu reflektieren versucht.

Hier wird das Paradoxe des Selbstbezugs angesprochen, wie es etwa Niklas Luhmann in seinen Theorien über soziale Systeme analysiert hat. Ein System kann seine eigenen Beobachtungsbedingungen nicht vollständig aus sich selbst heraus beschreiben. Das philosophische Subjekt bleibt damit in einer Art kognitiver Schleife gefangen – eine Schleife, die der Vortrag jedoch bewusst als komisch, ja geradezu grotesk inszeniert.

 

Fazit: Der Ernst des Ironischen

Der Vortrag ist mehr als bloß eine Persiflage auf akademische Philosophie – er ist selbst ein philosophischer Akt. In der konsequenten Verweigerung klarer Begrifflichkeit, im ironischen Spiel mit Ebenen und Metaphern, wird nicht nur Philosophie parodiert, sondern zugleich deren erkenntnistheoretische Struktur offengelegt.

Der Text verweist auf zentrale Fragen: Was ist Erkenntnis? Wie sprechen wir über das, was wir nicht eindeutig sagen können? Und wie verhält sich Philosophie zur Sprache, mit der sie operiert? In diesem Sinne steht der Vortrag in der Tradition philosophischer Selbstreflexion – irgendwo zwischen Kant, Wittgenstein und Derrida, aber immer mit einem Augenzwinkern.

 

Literaturhinweise:

  • Adorno, Theodor W.: Negative Dialektik, Frankfurt a.M., 1966.

  • Derrida, Jacques: La différance, in: Margins of Philosophy, Chicago, 1982.

  • Heidegger, Martin: Sein und Zeit, Tübingen, 1927.

  • Kant, Immanuel: Kritik der reinen Vernunft, Riga, 1781.

  • Luhmann, Niklas: Die Wissenschaft der Gesellschaft, Frankfurt a.M., 1990.

  • Wittgenstein, Ludwig: Tractatus logico-philosophicus, 1922.

Metaphors without Properties

The lecture performs a subtle critique and celebration of philosophy’s modes of inquiry. Through playful language and layered abstraction, it reveals the paradox of philosophical understanding: the more we attempt to clarify, the more elusive the target becomes. Its invocation of the thing-levelfunction-level, and an indeterminate third invites reflection on the structure and limits of knowledge, while its embrace of metaphor acknowledges the indispensability of poetic and symbolic thinking.

 

Dear listeners!

 

It is part of the nature of this lecture series that the audience expects the speaker to always strive to express themselves as incomprehensibly as possible. Because only in this way is it ensured that no one can say in the end that they already knew everything anyway. This expectation shall also be met today, and therefore today's topic is something somewhere between existential philosophy, epistemology, and a third thing that must absolutely not be excluded. Possibly, we are also moving outside of the mentioned categories, simply for fun.

First, I would like to say something about things. That is simple. Everyone understands that. But what does it mean that everyone understands it? It only means that an understanding of things is probably given to more or less everyone, so to speak as the lowest level of existence and capacity for knowledge. Possibly there is a close connection between the two. But this third thing shall not be named here yet.

Now, on the level of things, it is often claimed that one simply regards things as things. That is logically funny, but also a bit creepy. What might it be like to see things as things? I do not know. And I am glad about that.

But what comes above the level of things? Known, of course, is the level of functions. On this level, the problem of properties on the thing-level is solved. It simply does not exist. Whereas on the thing-level, properties are absolutely necessary, precisely because one sees things as they are.

Dear listeners, I hope that was somewhat incomprehensible. But I still see on some of your faces an expression telling me that I have not gone far enough. Good. Then let’s continue.

Now we have recognized the function level. Can you name it? That is certainly not possible from the thing-level. And even from the function-level, there are some difficulties. Usually, attempts at description—if they are meant to apply to the level on which one currently finds oneself—are characterized by the fact that one lacks the right means for it. But humans are inventive, will not be deterred from their intention, and use metaphors. Or systems of metaphors.

But let's leave that to the philosophers, because after all, we want to remain incomprehensible. And this incomprehensibility is guaranteed by the last level known to us, which, unsurprisingly, lies above the function level.

I hope you do not simply agree here, since hierarchies belong to the function level and are thus not very suitable for description. Perhaps one could also say that this level lies outside the function level, if one understands that not spatially but logically.

You notice, here one really gets into difficulties, and I am sure that most of you have already had the thought that the concept of levels is no longer sufficient here.

What remains to be said? Actually only that we will probably continue to content ourselves with metaphors, because whoever does not... Good night!

Analysis

The lecture from unfolds as a playful yet profound meditation on the nature of philosophical discourse, epistemic limits, and the layered complexity of understanding. By deliberately adopting a style of increasing abstraction and obscurity, the speaker draws attention to the paradoxes inherent in philosophy itself—how it seeks clarity but often dwells in opacity, and how its subject matter resists definitive articulation. This essay explores the key themes and structures of the lecture, situating them within broader philosophical contexts.

 

1. Unintelligibility as Philosophical Strategy

Right from the outset, the speaker acknowledges a certain expectation: that the lecture should be incomprehensible. This self-aware commitment to opacity ironically underscores a frequent critique of philosophical language—its tendency toward obscurity and complexity that can alienate lay audiences. Yet here, incomprehensibility is framed as an epistemic safeguard: if everything were plainly understandable, there would be no room for deeper inquiry or novelty.

This aligns with Theodor W. Adorno’s reflections on philosophy’s “negative dialectics,” where the failure of clear, totalizing concepts signals the resistance of reality itself to being fully grasped (Adorno, 1966). Similarly, Ludwig Wittgenstein’s later philosophy (e.g., Philosophical Investigations) critiques the idea of fixed meanings, emphasizing how language games and context shape understanding, often defying straightforward explication.

 

2. The Levels: Things, Functions, and the Unnamed Third

The lecture introduces a conceptual hierarchy: the thing-level, the function-level, and a mysterious third level which remains unnamed. The thing-level corresponds to the intuitive, immediate grasp of objects or phenomena—“things as things.” This evokes Heidegger’s notion of the “ready-to-hand” (zuhanden) entities in Being and Time (1927), objects encountered in everyday existence prior to theoretical abstraction.

However, the speaker problematizes the notion of simply “seeing things as things,” suggesting it is both “logically funny” and “a bit creepy.” This calls to mind Kant’s critical philosophy, where the “thing-in-itself” (Ding an sich) is ultimately inaccessible to us, known only through phenomena structured by our cognition (Kant, 1781).

The function-level then represents an abstraction where properties attributed to things at the lower level become irrelevant or are “solved.” This can be interpreted as moving from ontological descriptions to systemic or operational accounts, reminiscent of functionalism in philosophy of mind or systems theory. The problem of properties (the Eigenschaftsproblem) dissolves here because the focus shifts from substance to role or effect.

The third level, deliberately left unnamed and conceptually elusive, gestures toward the limits of hierarchical categorization itself. The speaker notes that hierarchies belong to the function-level, so the final level cannot be adequately captured by hierarchical logic. This resonates with Derrida’s concept of différance, where meaning and structure perpetually defer each other, escaping closure (Derrida, 1982).

 

3. The Role of Metaphors

Faced with the inadequacy of direct description—especially when reflecting on the level on which one already stands—the lecture turns to metaphors and “systems of metaphors.” This admission highlights a key epistemological insight: language is fundamentally metaphorical and symbolic, unable to fully capture reality’s complexity.

Philosophers from Nietzsche to Ricoeur have emphasized the indispensability of metaphor in shaping thought and understanding. Nietzsche, for example, famously described truth as “a mobile army of metaphors” (Nietzsche, On Truth and Lies in a Nonmoral Sense). The lecture’s self-aware use of metaphor underlines a post-structuralist skepticism toward literal meaning and fixed categories.

 

4. Limits of Levels and Hierarchies

The lecture’s critique of hierarchical models echoes contemporary systems theory and reflexive epistemologies. Niklas Luhmann, for instance, analyzes social systems as operationally closed but cognitively open, reflecting on the paradoxes of self-description (Luhmann, 1990). The observation that “the concept of levels is no longer sufficient” captures the difficulty of mapping complex phenomena with rigid ontological schemas.

This also recalls Kantian and post-Kantian critiques of metaphysics: any attempt to fully systematize knowledge encounters the boundaries of reason itself.

 

Conclusion

The lecture performs a subtle critique and celebration of philosophy’s modes of inquiry. Through playful language and layered abstraction, it reveals the paradox of philosophical understanding: the more we attempt to clarify, the more elusive the target becomes. Its invocation of the thing-level, function-level, and an indeterminate third invites reflection on the structure and limits of knowledge, while its embrace of metaphor acknowledges the indispensability of poetic and symbolic thinking.

Far from mere obfuscation, the lecture is a philosophical act in its own right—a reminder that philosophy is less about delivering final answers and more about navigating the tension between clarity and mystery.

 

References

  • Adorno, Theodor W. Negative Dialectics. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1966.

  • Derrida, Jacques. “Différance.” In Margins of Philosophy, 1982.

  • Heidegger, Martin. Being and Time. 1927.

  • Kant, Immanuel. Critique of Pure Reason. 1781.

  • Luhmann, Niklas. Die Wissenschaft der Gesellschaft [The Science of Society]. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1990.

  • Nietzsche, Friedrich. “On Truth and Lies in a Nonmoral Sense,” 1873.

  • Wittgenstein, Ludwig. Philosophical Investigations, 1953.