Keine Geschichte, keine These, kein Argument – es ist ein Sprachspiel im Sinne Wittgensteins, aber eines, das den Leser nicht einlädt, sondern herausfordert. Es verlangt ein Hineinfallen, ein Sich-Verlieren, ein Mitgehen. Der Text ist eine Art literarischer Meditation, die durch Abwesenheit von Bedeutung auf eine tiefere Art von Sinn verweist: den Sinn des Offenen, des Noch-nicht-Begriffenen, des Unverfügbaren.
Seloda! Seloda semani!
Kamaniru?
Kamanu da!
Se genalem farunam femanigu dei. Ma naseri hekula sawosum nebuda. Ma, hekula dise kabirunei selebadu dio. Kabomei sicum. Kawalida hirubad degonu talibo. De lokinu frestali himukum libonet. Se fropinu galeto kibanukam netu. Kiludei? Hamurum kilosti naberum sekun. Hakelodu guhinas hamares. Kenido fila! Sa wakunet sikanudam derumino fratu.
E kolewa tastinu?
Sa rowinu fastiku!
Kelu da?
Sa ta!
Sa to mirowei.
Mirowetu.
"Kanasimawei dobinusa. Kerasum segronum dicostu. Gelowedra drasica? Genumabima selastotika amane. Kulibatumi koliu. Hezitoni kulari gemibisu hanetula geritiko banuma nema. Se wamida? Deloburim sikatu nera dowistatu mikonumei sikabo felaretu nisma kowida zenola. Siwoda batu? Sisuda? Kaminusta regudei lominuda zakeno dabo. Fata meto! Sakamino dosta! Labiwano sekati vekonuta faru selawi. Sawidatalo kerunadi lobirato meia. Sawalato! Kibawei lobistanu weramadu mia nei. Sowista mirowei a kea mirowetu."
(Mehuna Vadiko, "Sa konumina drasibonei maginos dekola", Felosa sita)
Analyse
Der Text „Zenola kowida“ steht in einer Reihe mit anderen Beiträgen des Blogs, die sich zwischen Sprache, Bewusstsein und erkenntnistheoretischer Reflexion bewegen. Was diesen Text jedoch besonders macht, ist seine nahezu vollständige Auslagerung der Bedeutungsebene in eine fiktive Sprache. Ähnlich wie in „Akon’s Widerspruch“, aber radikaler, lässt „Zenola kowida“ jede konventionelle Verständlichkeit fallen – und ruft dabei dennoch ein Gefühl der Intuition, Spannung und vielleicht sogar Erkenntnis hervor.
Was geschieht hier also? Was passiert mit dem Denken, wenn es auf Sprache trifft, die sich konsequent jeder Übersetzung entzieht? Dieser Essay wird sich der Frage widmen, wie sich Bedeutung jenseits der Semantik, rein aus Struktur, Klang, Form und Kontext generieren lässt – und wie dies auf tiefere philosophische Konzepte verweist: auf Mystik, Poststrukturalismus, Negative Theologie und nicht zuletzt auf das Prinzip von Zen.
1. Sprache als Musik: Rhythmus statt Bedeutung
Bereits der Beginn mit den Zeilen:
„Seloda! Seloda semani!“
suggeriert ein Aufruf, ein Erwecken, vielleicht ein Ritual. Trotz fehlender Übersetzung ruft die Repetition und der Klang Emotionen wach, ähnlich wie ein Mantra oder eine Litanei. Hier zeigt sich eine zentrale philosophische Idee: Sprache ist nicht nur Transportmittel für Bedeutung, sondern auch Klangkörper, Stimmungsträger, Formgebung. So erinnert dieser Text an Paul Celan, der in seinen späten Gedichten die Sprache so weit reduzierte, dass sie fast in reines Atmen, Lautsein und Schweigen überging.
Auch Wittgenstein bemerkte:
„Die Bedeutung eines Wortes ist sein Gebrauch in der Sprache.“
Doch hier scheint die Bedeutung nicht mehr vom Gebrauch, sondern vom Gefühl des Gebrauchs getragen zu sein – ein Hinweis auf präsemantische Bedeutungserfahrung.
2. Der Raum des Nichtverstehens
Die Passage:
„Se genalem farunam femanigu dei. Ma naseri hekula sawosum nebuda…“
zieht sich über mehrere Sätze hinweg und entfaltet sich wie ein narrativer Monolog, dessen Form an Dichtung, Prophezeiung oder Philosophie erinnert, ohne jedoch dekodierbar zu sein. Gerade durch diese Undurchdringlichkeit öffnet sich ein reflexiver Zwischenraum: Die Lesenden sind gezwungen, ihr eigenes Bedürfnis nach Bedeutung zu beobachten.
Was hier angespielt wird, ist die Philosophie der Negativität, wie sie etwa in der Mystik Meister Eckharts oder bei Plotin formuliert wurde: Die Wahrheit ist das, was nicht gesagt werden kann. Der Versuch, sie dennoch sprachlich zu erfassen, erzeugt Paradoxien, Andeutungen, Metaphorik – oder, wie hier, Sprachkörper ohne eindeutigen Inhalt. Das Ergebnis: Bedeutung entsteht nicht durch Information, sondern durch Erfahrung.
3. Fiktionale Autorschaft und Weltbau
Mit dem Einschub am Ende:
(Mehuna Vadiko, "Sa konumina drasibonei maginos dekola", Felosa sita)
wird eine Metaebene eingeführt. Die Zeilen stammen offenbar aus einem fiktiven Werk einer fiktiven Autorin. Damit macht der Text nicht nur sich selbst zur Fiktion, sondern verweist auf einen größeren literarisch-philosophischen Kosmos, in dem diese Sprache „Sinn“ hätte. Es entsteht der Eindruck einer kulturellen Tiefe, eines Kanons, der dem Lesenden aber unzugänglich bleibt. Diese Technik ist aus der Science Fiction (z. B. Tolkien, Le Guin, Herbert), aber auch aus postmodernen Texten wie denen von Borges oder Eco bekannt, bei denen fiktive Bücher, Sprachen oder Autoren eingebettet werden, um eine höhere Reflexion über Sprache, Wissen und Bedeutung zu ermöglichen.
4. Der Text als Koan: Zen und die Auflösung des Denkens
Die abschließenden Zeilen:
„Sowista mirowei a kea mirowetu.“
stellen eine Art Schlussformel dar – so offen, wie der Text begann, endet er auch. Eine klare Deutung gibt es nicht. Stattdessen evoziert das Ganze ein Gefühl des „Fast-Verstehens“, das sich aber immer wieder entzieht.
Diese Struktur erinnert unmittelbar an die Praxis von Zen-Kōans, also paradoxen Erzählungen oder Fragen, die den Schüler dazu bringen sollen, die Grenzen des rationalen Denkens zu sprengen. Der Kōan kann nicht gelöst werden – er muss erlebt, durchlitten, überschritten werden. So auch hier: Wer den Text liest, wird keine Antwort finden – aber vielleicht eine Verlagerung des Bewusstseins, ein Aha-Moment ohne Aha.
5. „Zenola kowida“ – Ein Möglichkeitsraum
Was bedeutet also „Zenola kowida“? Vielleicht gar nichts – oder alles. Der Text funktioniert wie ein philosophisches Instrument, das die Lesenden dazu bringt, die Grenzen der Sprache, des Verstehens und der Erkenntnis zu erforschen. Das erinnert stark an Derridas Dekonstruktion von Sinn – oder an Deleuzes Rhizom-Modell, in dem Bedeutung nicht zentralisiert, sondern verzweigt, verflüssigt, entgrenzt ist.
Sprache wird hier nicht verstanden, sondern erfahren.
Erkenntnis entsteht nicht durch Begriffe, sondern durch Loslassen des Begriffsverlangens.
Fazit: Sprachspiel jenseits der Bedeutung
„Zenola kowida“ ist keine Geschichte, keine These, kein Argument – es ist ein Sprachspiel im Sinne Wittgensteins, aber eines, das den Leser nicht einlädt, sondern herausfordert. Es verlangt ein Hineinfallen, ein Sich-Verlieren, ein Mitgehen. Der Text ist eine Art literarischer Meditation, die durch Abwesenheit von Bedeutung auf eine tiefere Art von Sinn verweist: den Sinn des Offenen, des Noch-nicht-Begriffenen, des Unverfügbaren.
Wenn Philosophie manchmal heißt, das Denken zu unterbrechen, um es neu zu beginnen – dann ist dieser Text ein guter Startpunkt.
Weiterführende Denker & Werke:
-
Ludwig Wittgenstein – Philosophische Untersuchungen
-
Meister Eckhart – Predigten (negativ-theologisches Denken)
-
Jacques Derrida – La Voix et le phénomène, Grammatologie
-
Paul Celan – Sprachgitter, Atemkristall
-
Jorge Luis Borges – Fiktionen
-
Gilles Deleuze & Félix Guattari – Tausend Plateaus
-
Zen-Buddhismus – Kōans, etwa Mumonkan