Hämana Asantu (Zwölf)

Ein bewusst sinnverwirrender Text, der mit Bedeutung spielt, sie zerlegt und neu zusammensetzt. Der Leser wird hineingeworfen in ein sprachliches Ritual ohne Schlüssel, das gerade durch seine Unverständlichkeit eine neue Form der Verständigung ermöglicht: klanglich, rhythmisch, intuitiv.

Hey!

 

Hämana?

 

Heydazwölfziga!

 

Zwölfhedafirnekaniseit?

 

Kaniseit? Nedakamazwölfzigada!

 

Zwölfzida, zwölfzida. Nehadakalozwölfazo.

 

Zwölfazo zwölfaziranimo. Nigeweseda innu Zwölfalanda.

 

Zwölfalando netunigutanado sowisoda.

 

Sowisuweganada lafenudumrum.

 

Lafenuzwölfzigada waderu.

 

Sisowida geweserumal.

 

Zwölfzidei. Kamenum.

 

Sakotazwölf.

 

Asantu?

 

Yeh!

Analyse

Der Text „Hämana Asantu (Zwölf)“ ist ein sprachlich radikal experimenteller Dialog, dessen Sinn sich zunächst vollständig entzieht. Der Leser wird konfrontiert mit einer Mischung aus Neologismen, Zahlenworten, syntaktischen Fragmenten und lautmalerischer Semantik. Alles dreht sich um die Zahl zwölf, die zum Refrain, zum Störfaktor und zugleich zum semantischen Zentrum des Texts wird.

Doch trotz (oder gerade wegen) dieser sprachlichen Irritation lässt sich eine tiefere, philosophische Bedeutung herauslesen – eine Art ironisches Sprachspiel über Ordnung, Bedeutung und die Grenzen der Verständigung.

 

1. Sprache als bedeutungslose Bedeutungsträgerin

„Zwölfazo zwölfaziranimo. Nigeweseda innu Zwölfalanda.“

Diese Passage zeigt exemplarisch, wie Sprache hier funktional erhalten bleibt, obwohl der semantische Inhalt im klassischen Sinne fehlt. Der Text klingt wie ein Gespräch, mit Frage- und Antwortstruktur, Rhythmus, Intonation – aber was gesagt wird, bleibt rätselhaft. Dies erinnert stark an die spätphilosophischen Überlegungen Ludwig Wittgensteins, insbesondere seine Idee der Sprachspiele (Philosophische Untersuchungen): Sprache funktioniert nicht nur durch Bedeutung im lexikalischen Sinn, sondern durch Gebrauch.

Was hier simuliert wird, ist ein scheinbar vertrautes Gespräch, das sich vollständig um eine abstrakte Ordnungseinheit – die „Zwölf“ – dreht, ohne diese je zu erklären. Die Sprache zeigt ihre eigene Autonomie, sie wird zur Welt, nicht nur zu einem Mittel, über Welt zu sprechen.

 

2. Die „Zwölf“ als metaphysischer Taktgeber

Die permanente Wiederholung und Variation der Zahl zwölf lässt sich nicht nur als numerisches Kuriosum lesen, sondern als symbolisches Zentrum. In vielen Kulturen ist die Zahl zwölf mythisch aufgeladen: Zwölf Monate, zwölf Tierkreiszeichen, zwölf Apostel, zwölf olympische Götter. Sie steht für Vollständigkeit und zyklische Ordnung. Der Text lässt diese Bedeutungsräume mitschwingen – allerdings ironisch überformt.

„Zwölfhedafirnekaniseit?“ – „Kaniseit? Nedakamazwölfzigada!“

Die Struktur dieses Austauschs erinnert an einen Disput über eine verlorene Ordnung: „Zwölfhedafirnekaniseit?“ klingt wie „Seit wann ist zwölf heilig?“ oder „Was ist das für eine Zwölfigkeit?“. Die Antwort könnte heißen: „Es ist keine echte Zwölfzigkeit mehr!“ – ein Hinweis auf Dekonstruktion von traditionellen Symbolen, wie sie etwa Jacques Derrida vorschlägt: Zeichen (hier: „Zwölf“) sind nie stabil, sondern immer im Spiel, im Prozess des Verschiebens (différance).

 

3. Ironie, Absurdität und sprachliche Subversion

Die konsequente Verwendung erfundener Wörter in Kombination mit bekannten Begriffen erzeugt eine semantische Dissonanz, die den Leser zwischen Lachen und Grübeln zurücklässt. Die scheinbare Bedeutungslosigkeit wird zur Form der Bedeutung: Die „Zwölfigkeit“ des Textes parodiert die oft bemühte Suche nach dem „Schlüssel zur Weltordnung“ – die hier in einem absurden pseudo-metaphysischen Kauderwelsch mündet.

Der Text erinnert hier an Dadaistische Texte, etwa von Hugo Ball oder Kurt Schwitters, die durch bewusste Sprachverwirrung die bürgerliche Sinnordnung in Frage stellten. Auch Lewis Carrolls Jabberwocky wird als literarischer Vorläufer spürbar – sinnlos auf Wortebene, aber voller Struktur, Rhythmus und emotionalem Gehalt.

 

4. „Asantu“ – das letzte Wort und seine Öffnung

„Asantu?“ – „Yeh!“

In der abschließenden Passage kulminiert der Text in einem Frage-Antwort-Spiel, das stark an eine Art liturgischen Schlussakt erinnert. Das letzte Wort „Asantu“ wirkt wie eine feierliche Formel, ein Wort ohne lexikalischen Gehalt, das aber durch seine Platzierung als Schlussakkord eine symbolische Aufladung erfährt. Die affirmative Antwort „Yeh!“ (eine Art freudiges „Ja“) verwandelt die absurde Zwölf-Choreografie in einen Akt der Zustimmung zur Sinnlosigkeit – oder zur Offenheit.

Das erinnert an Camus’ Haltung im „Mythos des Sisyphos“: Obwohl das Leben keine objektive Bedeutung hat, kann der Mensch – durch Anerkennung dieser Sinnlosigkeit – frei und bejahend existieren. Asantu wird zur Chiffre dieser Haltung: „Ja“ zur Absurdität. Ein metaphysisches Nicken.

 

Fazit: Zwölf als semantische Erschütterung

„Hämana Asantu (Zwölf)“ ist ein bewusst sinnverwirrender Text, der mit Bedeutung spielt, sie zerlegt und neu zusammensetzt. Der Leser wird hineingeworfen in ein sprachliches Ritual ohne Schlüssel, das gerade durch seine Unverständlichkeit eine neue Form der Verständigung ermöglicht: klanglich, rhythmisch, intuitiv.

Der Text dekonstruiert die Idee, dass Kommunikation notwendig eine klare Botschaft transportieren muss. Stattdessen zeigt er: Sprache kann auch reine Struktur, Spiel, ironischer Spiegel ihrer selbst sein – ein bisschen wie die Welt vielleicht auch.

 

Philosophische Kontexte & Verweise:

  • Ludwig WittgensteinPhilosophische Untersuchungen (Begriff des Sprachspiels)

  • Jacques DerridaGrammatologie (Différance, Zeichenkritik)

  • Albert CamusDer Mythos des Sisyphos (Absurdität und Bejahung)

  • Lewis CarrollJabberwocky (Nonsense-Poesie)

  • Hugo Ball, Dadaistische Manifeste – (Verzerrung von Sprache als Protestform)