Großartig

Der Text ist ein philosophisches Gedankenspiel über die Sprache, das Denken und den Alltag. Er verneint die große Theorie zugunsten der kleinen Ironie – und ist gerade dadurch tiefgründig. Der Dialog funktioniert als Spiegel für das philosophische Tun selbst: Fragen stellen, Bedeutungen verschieben, lachen, zweifeln, weitermachen.

Weißt du, was das Lustige daran ist?

 

Weißt du es denn?

 

Ich denke, ich weiß es.

 

Das ist großartig.

 

Das ist in der Tat großartig. Ich hätte es nicht besser ausdrücken können.

 

Ausdrücken! Wie einen Schwamm! Zu wissen, wie man einen Schwamm ausdrückt. Das ist so großartig!

 

Ich liebe großartig! Und vielleicht liebe ich auch Schwämme. Wer weiß? Darüber habe ich noch nie so richtig nachgedacht.

 

Über Schwämme wird im Allgemeinen viel zu wenig nachgedacht. Jeder drückt nur auf ihnen herum. Quetscht sie aus. Das ist überhaupt nicht großartig.

 

Schwamm drüber. Das ist auch so eine Redensart. Schwammig schwimmender Schwamm. Ganz ausdrücklich.

 

Weißt du, was noch großartig ist?

 

Im Moment nicht.

 

Lassen wir diesen Moment verstreichen?

 

Ein hervorragender Plan. Verstreichen sollst du, Moment!

 

Ist er weg?

 

Ist er. Kam aber gleich der nächste hinterher.

 

Das Momentenkonzept ist nicht so meins.

 

Meins auch nicht. Was soll das eigentlich sein?

 

Keine Ahnung. Du weißt doch, was sich die Leute immer so ausdenken.

 

Warum denkt sich nur jemand solche Sachen aus? Was soll das? Ich will mich eigentlich gar nicht mit sowas beschäftigen.

 

Niemand will das.

 

Und doch wird es getan.

 

Verrückt! Das Zeug wird man doch nie wieder los!

 

Ignorieren solange es geht.

 

Weiß du, was lustig wäre?

 

Klar, weiß ich das. Vertrau mir.

 

Ich wusste, ich kann auf dich zählen.

 

Zählen? Lass das mal lieber. Ich mag es nicht, wenn auf mir rumgezählt wird.

 

Das merkst du doch gar nicht.

 

Ich bin mir da nicht so sicher. So etwas kann schon schwerwiegend sein.

 

Zahlen wiegen doch nichts.

 

Kennst du denn alle?

 

Natürlich nicht! Ich würde auch nur die verwenden, bei denen ich weiß, dass die nichts wiegen.

 

Ich mag das trotzdem nicht. Was wäre, wenn du dich irrst? Das Risiko ist mir zu hoch.

 

Ok, in Ordnung. Dann zähle ich nicht auf dich.

 

Danke. Da bin ich wirklich erleichtert. Das hätte doch schwer auf mir gelastet. Das hätte ich nicht so großartig gefunden. Und das ist es doch, worum es geht. Großartigkeit. Die richtig große Großartigkeit.

 

Das ist es. Und das ist auch schon alles.

Analyse

Der philosophische Kurztext „Großartig“ ist ein sprachspielerischer Dialog, der scheinbar sinnfrei daherkommt und dennoch tiefere Schichten des Denkens über Kommunikation, Bedeutung und den Umgang mit Alltäglichem freilegt. In der Tradition des absurden Theaters und der Sprachkritik philosophiert der Text über das Großartige, den Moment und sogar Schwämme – nicht etwa, um zu einem klaren Begriff zu gelangen, sondern um zu zeigen, wie sehr Denken in Sprache verstrickt ist. Was auf den ersten Blick wie Nonsens wirkt, entpuppt sich bei näherem Hinsehen als klug konstruierte Reflexion über die Grenzen des Sinns – und die Großartigkeit des Spiels damit.

 

1. Die Inszenierung des Banalen

„Weißt du, was das Lustige daran ist?“ – So beginnt der Text und schon in der ersten Zeile ist der Ton gesetzt: Ein scheinbar bedeutungsloses Gespräch zwischen zwei Stimmen, das sich im Kreis dreht, ständig neue Anspielungen generiert, dabei aber nie zu einem definitiven Inhalt gelangt. Doch gerade das ist die Pointe: Was ist eigentlich großartig? Ist es das Wissen? Der Ausdruck? Oder das Gespräch selbst?

Die beiden Figuren imitieren einen Erkenntnisprozess, in dem ständig Fragen gestellt, Aussagen bestätigt oder leicht ironisiert werden. So entsteht eine eigentümliche Dynamik des Immer-noch-ein-bisschen-mehr-Sagens, ohne dass der Redegegenstand greifbarer wird. Dies erinnert an Ludwig Wittgensteins Bemerkung in den Philosophischen Untersuchungen, wonach die Bedeutung eines Wortes „sein Gebrauch in der Sprache“ ist (§43). Was „großartig“ bedeutet, erschließt sich hier nicht durch Definition – sondern durch performative Anwendung.

 

2. Sprachspiel und Ironie

Besonders deutlich wird die Selbstreferenzialität des Dialogs in Passagen wie:

„Ausdrücken! Wie einen Schwamm! Zu wissen, wie man einen Schwamm ausdrückt. Das ist so großartig!“

Hier wird ein Wortspiel zum Erkenntnismedium. „Ausdrücken“ wechselt die Bedeutung – vom sprachlichen Ausdruck zur physischen Geste am Schwamm. Sprache wird hier nicht als Mittel zur Abbildung der Welt verstanden, sondern als etwas, das sich selbst beobachtet, kommentiert und verdreht. Es ist eine Art Sprachspiel, wie Wittgenstein sie beschreibt: ein Spiel mit Bedeutungen, Konnotationen und Kontexten, das zeigt, wie instabil die Sprache unter der Oberfläche eigentlich ist.

Das Motiv des Schwamms – scheinbar willkürlich eingeführt – dient dabei nicht nur zur Belustigung. Der Schwamm ist Symbol für das Alltägliche, das oft unbeachtet bleibt, aber dennoch eine Rolle in unserem symbolischen Universum spielt. Der Text macht das Banale sichtbar und erhebt es mit einem Augenzwinkern zum philosophischen Gegenstand.

 

3. Der Moment und die Zeit

Einen weiteren Höhepunkt bildet die Passage über den Moment:

„Lassen wir diesen Moment verstreichen?“ –
„Ein hervorragender Plan. Verstreichen sollst du, Moment!“

Was hier wie ein kindischer Sprachwitz wirkt, verweist auf ein altes philosophisches Problem: Was ist eigentlich der Moment? Ist er greifbar? Oder ist er nur eine gedankliche Konstruktion? Der Moment „verstreicht“, aber sofort „kommt der nächste hinterher“. Zeit wird hier nicht als lineare Folge gedacht, sondern als eine ungreifbare Serie von „Jetzt“, die sich unserer Kontrolle entzieht – ähnlich wie bei Augustinus in den Confessiones, der fragt: „Was ist also Zeit?“

Im scheinbar albernen Spiel mit der Idee des Moments wird so ein erkenntnistheoretischer Zweifel greifbar: Vielleicht ist „der Moment“ eine Fiktion – und unsere Sprache eine hilflose Anstrengung, ihn zu fassen.

 

4. Überforderung durch Bedeutung

In einem zentralen Abschnitt heißt es:

„Warum denkt sich nur jemand solche Sachen aus? Was soll das? Ich will mich eigentlich gar nicht mit sowas beschäftigen.“
„Niemand will das.“
„Und doch wird es getan.“

Diese resignative Erkenntnis legt den Kern des Textes frei: Die Figuren befinden sich in einem Zustand des Denkens trotz besseren Wissens, der Beschäftigung mit dem Sinnlosen, dem Überflüssigen, dem Widersprüchlichen. Der Text tritt in die Nähe von Albert Camus’ Idee des absurden Bewusstseins – der Mensch als Wesen, das nach Sinn sucht in einer Welt, die keinen bietet. Doch statt wie Camus mit Pathos zu reagieren, nimmt „Großartig“ den Umweg über Ironie und Verspieltheit: Es ist großartig, dass wir uns mit all dem beschäftigen – gerade weil es so sinnlos erscheint.

 

5. Das Ende als Pointe

Die Schlusspointe bringt den gesamten Dialog auf den Punkt:

„Das hätte ich nicht so großartig gefunden. Und das ist es doch, worum es geht. Großartigkeit. Die richtig große Großartigkeit.“
„Das ist es. Und das ist auch schon alles.“

Der Text endet mit einer scheinbaren Lösung – doch sie ist nichts als eine leere Formel. „Großartigkeit“ ist der rote Faden, aber nie definiert. Das letzte Wort ist gleichzeitig Erfüllung und Enttäuschung: Das ist es. Und das ist auch schon alles. Ein Satz, der genauso gut am Ende jeder philosophischen Suche stehen könnte.

 

Fazit: Vom Sprechen als philosophischem Tun

Der Text „Großartig“ ist ein philosophisches Gedankenspiel über die Sprache, das Denken und den Alltag. Er verneint die große Theorie zugunsten der kleinen Ironie – und ist gerade dadurch tiefgründig. Der Dialog funktioniert als Spiegel für das philosophische Tun selbst: Fragen stellen, Bedeutungen verschieben, lachen, zweifeln, weitermachen.

„Großartig“ ist großartig, weil es mit so wenig so viel erreicht: ein Stück über das Denken, das Unsinn macht – im besten Sinne.

 

Literaturhinweise:

  • Ludwig Wittgenstein: Philosophische Untersuchungen (1953), §§ 23, 43 – zum Sprachspiel.

  • Albert Camus: Der Mythos des Sisyphos (1942) – zur Philosophie des Absurden.

  • Augustinus: Confessiones, Buch XI – über das Wesen der Zeit.

  • Samuel Beckett: Endspiel – als Beispiel für das absurde Sprechen ohne Ziel.

  • Jacques Derrida: La voix et le phénomène (1967) – zur Unabschließbarkeit sprachlicher Bedeutung.