Dieser dialogische Text ist weit mehr als ein ironisches Geplänkel. Er stellt fundamentale Fragen an die heutige Mediennutzung, das Verhältnis von Lesen und Kommunikation und die Rolle der Selbstverwirklichung in einer überinformierten Welt. In der Figur Hankman offenbart sich der moderne Mensch zwischen Passivität und Schöpfertum, Reizüberflutung und Sehnsucht nach Tiefe.
Hey, wie geht's? Ah, du bist beschäftigt. Was genau machst du da eigentlich?
Hallo, Hankman! Was ich gerade mache? Ich lese!
Ah! Und was liest du?
Ein Buch.
Ehrlich?
Oh, Mann. Ist es so schwer zu begreifen, dass es immer noch Leute gibt, die Bücher lesen?
Nö, eigentlich nicht. Auch ich denke manchmal, dass ich vielleicht mal ein Buch lesen könnte. Dann überlege ich, was das wohl für ein Buch sein könnte, doch da fällt mir irgendwie nichts ein. Vielleicht gibt es einfach kein Buch, das für mich gemacht ist?
Die Frage ist, wie so ein Buch aussehen sollte?
Genau, das ist die Frage. Wie müsste ein Buch sein, das ich gerne lesen würde?
Vermutlich kurz.
Du machst dich über mich lustig. Aber ist schon ok. Ist ja was dran. Denn das Problem ist ja gar nicht das Buch, sondern dieses abgeschnitten sein von der Welt.
Das ist ja auch irgendwie der Sinn der Sache. Einfach mal in eine andere Welt abtauchen.
Das verstehe ich schon. Aber die Kommunikation ist schon extrem eingeschränkt. Klar, wenn ich auf einer einsamen Insel gestrandet wäre, dann wäre ich glücklich über jedes Buch, das ich in die Hände bekommen könnte. Und sei es noch so schlecht. Denn es würde meine Kommunikation vom Level Selbstgespräch auf ein deutlich höheres Niveau heben.
Verstehe. Du meinst, ein Buch reduziert dein Kommunikationslevel. Dann wäre immer noch die Frage nach der Qualität.
Das ist richtig. Vielleicht gibt es für mich einfach kein Buch, das die Einbuße an Kommunikation über Qualität wettmachen kann.
Das glaub ich jetzt nicht. Ich denke eher das liegt daran, dass damit eine gewisse Anstrengung verbunden ist.
Auch das noch. Anstrengung plus Einschränkung der Kommunikation. Klingt nicht sehr verlockend. Ah, jetzt hab ich es! Ich brauche einfach einen langen Urlaub auf einer einsamen Insel.
Das solltest du machen. Und welches Buch würdest du mitnehmen?
Jedenfalls kein Buch, in dem Menschen vorkommen, die Bücher lesen. Am besten ein Buch mit Robotern. Die lesen gar keine Bücher, höchstens Gebrauchsanleitungen.
Das ist echt gut. Ich überlege mir gerade, wenn man das umdreht, das würde bedeuten, dass jeder, der nur Gebrauchsanleitungen liest, ein Roboter ist.
Ja, das ist cool. Ein sicheres Indiz, um Roboter zu identifizieren. Die Idee gefällt mir.
Na, dann solltest du vielleicht ein Buch darüber schreiben. Wird bestimmt ein Erfolg.
Meinst du?
Klar. Du bist einfach nicht so der Leser, sondern eher der Schreiber.
Warum sagst du mir das erst jetzt? Ich mach mich sofort an die Arbeit.
Analyse
Der hier zu analysierte Dialog beginnt scheinbar beiläufig mit der Frage „Hey, wie geht’s?“, entwickelt sich aber rasch zu einer reflektierten Erkundung grundlegender kultureller Praktiken: Lesen, Schreiben, Kommunikation, Selbstwahrnehmung – und, mit einem ironischen Seitenhieb, der Unterscheidung zwischen Mensch und Maschine. Trotz des lockeren Tons entfaltet der Text eine bemerkenswerte Tiefe, die sich unter anderem mit literatursoziologischen, medientheoretischen und philosophischen Fragestellungen verknüpfen lässt.
I. Das Lesen als kulturelle Praxis in der Krise?
Der Protagonist „Hankman“ wirkt irritiert über die Tatsache, dass sein Gegenüber tatsächlich ein Buch liest – eine Reaktion, die bereits eine leise Kritik an der Gegenwartskultur enthält. Bücher sind offenbar nicht mehr selbstverständlich. Dass der Leser seine Tätigkeit verteidigen muss – „Ist es so schwer zu begreifen, dass es immer noch Leute gibt, die Bücher lesen?“ – verweist auf die Marginalisierung des Lesens im digitalen Zeitalter. Diese Diagnose ist nicht neu: Schon der Medienwissenschaftler Neil Postman warnte in „Wir amüsieren uns zu Tode“ (1985) vor einer Kultur der Ablenkung, in der die tiefgehende Reflexion durch oberflächliche Unterhaltung verdrängt wird.
Die Figur Hankman beschreibt das Lesen nicht als uninteressant, sondern als kommunikativ einschränkend. Dieser Gedanke ist faszinierend: Bücher, so Hankman, ersetzen den Dialog mit der Umwelt durch einen Monolog mit einem Text. Erst in der Isolation – etwa auf einer „einsamen Insel“ – würde er ein Buch wertschätzen, weil es dann ein kommunikatives „Upgrade“ darstellen würde. In der normalen Welt jedoch empfindet er das Buch als Reduktion seines kommunikativen Potenzials. Hier kommt eine tiefere Frage ins Spiel: Wozu lesen wir? Zur Information, zum Vergnügen – oder zur Verbindung mit anderen?
II. Lesewiderstand und Medienmüdigkeit
Hankmans Probleme mit dem Lesen resultieren nicht primär aus mangelndem Interesse, sondern aus einer medialen Überforderung. Er formuliert das Paradoxon so:
„Ich denke manchmal, dass ich vielleicht mal ein Buch lesen könnte. Dann überlege ich, was das wohl für ein Buch sein könnte, doch da fällt mir irgendwie nichts ein.“
Dieses Dilemma erinnert an die Theorie der kognitiven Dissonanz (Festinger, 1957) und an das Konzept der Entscheidungsparalyse in überkomplexen Informationsumwelten (vgl. Barry Schwartz: The Paradox of Choice). Hankman sieht sich mit einem Überangebot konfrontiert, das keine Resonanz mehr auslöst. Die Idee, dass vielleicht „kein Buch für ihn gemacht“ sei, deutet auf eine zunehmende Subjektivierung der Lesererwartung: Bücher sollen nicht nur informieren oder unterhalten, sondern passgenau „zu mir“ passen – wie algorithmisch generierter Content.
III. Die Kommunikationsmetapher und die Rolle des Buches
Ein zentrales Motiv des Dialogs ist die Kommunikation. Während Bücher klassisch als Brücken der Verständigung gelten (vgl. Roland Barthes’ Der Tod des Autors), beschreibt Hankman sie als Kommunikationsverlust. In seiner Metapher:
„Denn es würde meine Kommunikation vom Level Selbstgespräch auf ein deutlich höheres Niveau heben.“
ist das Buch ein Ersatz-Partner für Dialog, aber kein vollwertiger. Hier steckt eine unausgesprochene Medienkritik: Lesen ist asymmetrisch, Schreiben ebenso – und möglicherweise nicht mehr zeitgemäß für Menschen, die permanent im Dialog mit digitalen Netzwerken stehen. Die Fähigkeit zur kontemplativen Rezeption wird zunehmend als Zumutung erlebt.
IV. Der Roboter als Figur der Medienkultur
Hankman schlägt vor, ein Buch über Roboter zu lesen – Wesen, die keine Bücher lesen, sondern „höchstens Gebrauchsanleitungen“. Diese Bemerkung, in ihrer Ironie kaum zu übertreffen, eröffnet ein interessantes semantisches Feld: Roboter als Gegenbild zum lesenden, reflektierenden Menschen. Lesen wird hier zum Akt der Menschlichkeit, Schreiben gar zur höchsten Form der Selbstverwirklichung. In einer Welt, in der algorithmisch generierte Texte und KI-Systeme das Schreiben übernehmen, wird die Entscheidung, selbst zu schreiben, zu einem subversiven Akt des Widerstands.
Die Pointe des Dialogs kulminiert in der Umkehrung des Identifikationsproblems:
„Das würde bedeuten, dass jeder, der nur Gebrauchsanleitungen liest, ein Roboter ist.“
Ein absurder, aber aufschlussreicher Gedanke. Lesen wird damit zur Turing-Test-Frage. Wer liest (und zwar mehr als Bedienungsanleitungen), ist Mensch. Wer nicht liest, ist verdächtig. Was zunächst wie eine scherzhafte Übertreibung wirkt, lässt sich als Kommentar auf eine zunehmend funktionalisierte Welt lesen – in der Informationen nicht mehr des Sinns, sondern des Zwecks wegen konsumiert werden.
V. Vom Leser zum Autor: Selbstermächtigung durch Schreiben
Am Ende dreht sich das Gespräch: Der Lesemuffel Hankman wird vom Gesprächspartner zum Autor erklärt:
„Du bist einfach nicht so der Leser, sondern eher der Schreiber.“
Diese Wendung ist bemerkenswert. Sie signalisiert eine Umdeutung der kulturellen Position Hankmans: Nicht passives Konsumieren, sondern aktives Produzieren soll sein Weg sein. Die Erkenntnis ist fast schon therapeutisch – eine Ermächtigung zur Selbstgestaltung. Schreiben ist hier nicht nur ein kreativer Akt, sondern ein Ausweg aus der kognitiven Apathie. Im Sinne von Michel Foucault wäre das Schreiben ein Akt der Subjektkonstitution:
„Schreiben heißt, sich selbst zu konstituieren.“ (Foucault, Technologien des Selbst)
Fazit: Der Mensch zwischen Buchdeckel und Bildschirm
Dieser dialogische Text ist weit mehr als ein ironisches Geplänkel. Er stellt fundamentale Fragen an die heutige Mediennutzung, das Verhältnis von Lesen und Kommunikation und die Rolle der Selbstverwirklichung in einer überinformierten Welt. In der Figur Hankman offenbart sich der moderne Mensch zwischen Passivität und Schöpfertum, Reizüberflutung und Sehnsucht nach Tiefe.
Der Text plädiert nicht direkt für das Lesen – wohl aber für das Denken, das Fragenstellen, das Antwort-suchen. Und am Ende möglicherweise für das Schreiben. Denn:
„Vielleicht gibt es kein Buch für dich – dann schreib es eben selbst.“