Der Dialog über das autonome Fahren ist ein Beispiel für eine subtile und unterhaltsame Alltagsphilosophie, die sich nicht mit technologischer Oberfläche zufriedengibt, sondern das zugrunde liegende Begriffsverständnis hinterfragt. Hank erinnert uns daran, dass wir Begriffe wie „autonom“ nicht unreflektiert übernehmen sollten, wenn sich ihre Bedeutung im technologischen Diskurs verschiebt.
Hey, Hank, was hältst du eigentlich vom Autonomen Fahren?
Finde ich gut. Mach ich jeden Tag.
Wie? Was meinst du?
Na, autonom fahren. Was meinst du denn?
Verstehe nicht so ganz. Was meinst du damit, dass du jeden Tag autonom fährst?
Ist das ein Test? Du weißt doch, dass ich entweder mit dem Auto oder mit dem Rad fahre. Ich bestimme, wann, wo und wie ich fahre. Ganz autonom. Das machst du doch auch?
Ok, jetzt hab ich kapiert. Wir, als autonome Wesen, fahren autonom.
Sicher. Und du wirst es kaum glauben, aber ich gehe, esse und schlafe auch autonom. Dieses Gespräch ist wirklich zu blöd.
Ich meine natürlich, dass dein Fahrzeug autonom ist.
Ach so. Ja, das wäre ok. Obwohl mir autonome Schuhe lieber wären.
Bitte?
Die würden sich mir von selbst anziehen, ganz autonom. Ich bräuchte mich nicht mehr zu bücken. Sie würden sich von selbst und autonom die Schnürsenkel zubinden, und sie würden mir auch noch den richtigen Weg zeigen. Man muss nur aufpassen, dass die nicht mal von selbst, ich meine autonom, losmarschieren, während ich noch im Bett liege. Das wäre nicht so gut. Aber ja, ich freue mich auf das Autonome Fahren und auf das Autonome Gehen. Das habe ich jetzt einfach mal, und ganz autonom, so dahingesagt.
Alles nicht so einfach. Also bis später.
Alles klar.
Analyse
Im Zentrum des Dialogs steht das Thema „Autonomes Fahren“, das im technologischen wie gesellschaftlichen Diskurs hochaktuell ist. Doch statt sich direkt mit den damit verbundenen Innovationen, Risiken oder ethischen Fragen auseinanderzusetzen, beginnt der Protagonist Hank mit einem Missverständnis – oder vielmehr: mit einem bewussten Spiel mit Bedeutungen. Dieser Essay zeigt, wie Hank durch ironische Umdeutung den Begriff „Autonomes Fahren“ dekonstruiert und dabei grundlegende Fragen über Sprache, Autonomie und technologische Fortschrittsnarrative aufwirft.
1. Die doppelte Bedeutung von „autonom“
Das Missverständnis im Dialog ist kein Zufall. Hank nimmt den Begriff „autonomes Fahren“ wörtlich – als Ausdruck persönlicher Handlungsfreiheit: „Ich bestimme, wann, wo und wie ich fahre. Ganz autonom.“ Damit verweist er auf die ursprüngliche Bedeutung des Begriffs „Autonomie“, aus dem Griechischen autonomos („sich selbst Gesetze gebend“). In der moralphilosophischen Tradition, besonders bei Immanuel Kant, ist Autonomie das zentrale Prinzip eines freien, vernunftgeleiteten Subjekts (Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, 1785).
Indem Hank sich selbst als autonom Fahrenden versteht, stellt er die heutige technologische Verwendung des Begriffs infrage – etwa bei „autonomen Fahrzeugen“ –, die paradox erscheint: Hier ist nicht mehr der Mensch autonom, sondern die Maschine. Hank legt mit seiner scheinbar naiven Antwort offen, wie sehr Begriffe wie „Autonomie“ im technologischen Diskurs semantisch verschoben wurden.
2. Sprachkritik im Gewand des Witzes
Wie auch in den anderen Hank-Dialogen dominiert eine ironisch-philosophische Haltung. Der Begriff „autonom“ wird so weit generalisiert, dass er auf alle Lebensbereiche angewendet wird: „Ich gehe, esse und schlafe auch autonom.“ Dies ist keine bloße Albernheit, sondern ein gezielter Hinweis auf den inflationären Gebrauch technischer Schlagworte und Buzzwords.
Was Hank hier macht, erinnert an Ludwig Wittgensteins Idee, dass die Bedeutung eines Wortes nur im Gebrauch in der Sprache zu finden ist (Philosophische Untersuchungen, 1953). Wenn „autonom“ auf Autos angewendet wird, bedeutet es nicht mehr „selbstbestimmt“ im ethischen oder politischen Sinn, sondern „automatisiert, algorithmisch gesteuert“. Hank nutzt diese semantische Lücke, um zu zeigen, dass technologische Begriffe oft mit einem Rest von ideologischer Verklärung aufgeladen sind.
3. Die autonome Schuh-Satire – Fortschrittsglaube ad absurdum
Besonders augenfällig wird Hanks Strategie im Abschnitt über die autonomen Schuhe. Hier steigert er die Idee des „autonomen Fahrens“ ins Absurde: Schuhe, die sich selbst anziehen, die Schnürsenkel binden und den richtigen Weg zeigen – ein Bild zwischen Science-Fiction, Slapstick und Zukunftssatire.
Diese Passage kann als parodistische Kritik an einem technologischen Fortschrittsglauben gelesen werden, der immer wieder neue Bedürfnisse erzeugt, um sie anschließend technisch zu lösen – ganz gleich, ob diese Bedürfnisse ursprünglich real waren oder nicht. Hank führt damit eine technologische Anthropomorphisierung ad absurdum: Maschinen, die „autonom“ handeln, können plötzlich auch „wollen“, „entscheiden“ und sogar losmarschieren, während der Mensch im Bett liegt. Hier klingt eine Nähe zu Günther Anders’ Kritik der Technik an, besonders in seinem Werk „Die Antiquiertheit des Menschen“ (1956), wo er beschreibt, wie der Mensch von seinen eigenen Maschinen überholt wird – moralisch wie praktisch.
4. Zwischenmenschliche Komik und Abschied vom Diskurs
Am Ende des Dialogs verabschiedet sich der Gesprächspartner mit einem resignierten „Alles nicht so einfach. Also bis später.“ Er zieht sich aus dem Gespräch zurück, möglicherweise frustriert darüber, dass Hank nicht „ernsthaft“ über das Thema sprechen will. Doch Hank hat das Thema sehr wohl ernst genommen – nur eben auf seine eigene Weise.
Das Gespräch illustriert eine konflikthafte Kommunikationssituation, in der unterschiedliche Erwartungshorizonte kollidieren: Der eine erwartet eine sachliche Auseinandersetzung mit Technik, der andere dekonstruiert sprachliche Begriffe und entlarvt Denkgewohnheiten. Dieser Zusammenprall ist nicht ohne Komik – aber auch nicht ohne erkenntnistheoretische Tiefe.
5. Fazit: Autonomie in einer automatisierten Welt
Der Dialog über das autonome Fahren ist ein Beispiel für eine subtile und unterhaltsame Alltagsphilosophie, die sich nicht mit technologischer Oberfläche zufriedengibt, sondern das zugrunde liegende Begriffsverständnis hinterfragt. Hank erinnert uns daran, dass wir Begriffe wie „autonom“ nicht unreflektiert übernehmen sollten, wenn sich ihre Bedeutung im technologischen Diskurs verschiebt.
Sein Vorschlag autonomer Schuhe ist keine absurde Idee – sondern ein Spiegelbild unserer selbstgeschaffenen Abhängigkeit von Technik, die wir als Fortschritt feiern.
Oder wie Hank es ausdrücken würde:
„Ich freue mich auf das autonome Gehen. Das habe ich jetzt einfach mal, und ganz autonom, so dahingesagt.“