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Der Grund im irreflexiven Sein und im reflexiven Nicht-Sein (4)

 

Bis hierher ist es nicht übermäßig schwer, dem Gedankengang unseres Zitates zu folgen. Nun aber führt Hegel in seiner Analyse des absolut Unbedingten einen subtilen Gesichtspunkt ein, der über die schließliche metaphysische Wendung des spekulativen Denkens entscheidet. Es ist am besten, den einschlägigen Satz noch einmal zu wiederholen. Nachdem unter anderem festgestellt worden ist, dass das Sein in der Reflexion als Ansichsein erscheint, fährt der Text fort: „Es ist an sich aber nur durch die Negation seiner, nämlich durch den Grund und durch dessen sich aufhebende und damit voraussetzende Reflexion; das Ansichsein des Seins ist Somit nur ein Gesetztes.“

Das bedeutet aber nichts anderes, als dass die absolute Transzendenz des Seins (sein Ansichsein) nur Schein, also Reflexion, ist. Es ist nicht so, dass das Denken die Dinge deshalb nicht erreichen kann, weil sie ein anderes, der Reflexion absolut Fremdes sind oder weil ihr metaphysischer Modus dem der Subjektivität entgegengesetzt ist. „Ansichsein“ ist nicht der Ausdruck einer dem Denken undurchdringlichen und unzugänglichen Essenz. „Ansichsein“ ist vielmehr ein „Resultat“, d.h. ein „Gesetztes“. Es ist Resultat einer Negation und durch dieselbe als absolut objektiv und transzendent gesetzt. Es erscheint als urvordenklich nur für das naive sich orthothematisch auf seine Gegenstände richtende Denken. Für dieses letztere ist das Ansichsein in der Tat etwas, was vor allem reflektierendem Bewusstsein da ist und an dem sich das letztere nachträglich entzündet. Es ist dort die prima materia, aus der alle Wirklichkeit geschaffen worden ist, auch das Denken selbst, das relativ zu diesem Ursubstrat ein untergeordnetes a posteriori ist.

 

(Aus: Gotthard Günther, „Idee und Grundriß einer nicht-Aristotelischen Logik“, Felix Meiner Verlag, 1978, S. 286-287)